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Der Kreis der Dämmerung 03 - Der weiße Wanderer

Titel: Der Kreis der Dämmerung 03 - Der weiße Wanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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wollte jedes unnötige Blutvergießen vermeiden. Obwohl er alles andere als erfreut war über den hinterhältigen Angriff der vier, hielt er seine todbringende Macht trotzdem im Zaum. Den unmittelbaren Kontrahenten narkotisierte er unter Zuhilfenahme des Buschmessergriffes.
    Die beiden verbliebenen Jäger hatten sich währenddessen auf ein gemeinschaftliches Vorgehen verständigt. Einer kam von links, der andere von rechts. In ihren Händen blitzten jeweils gleich zwei Klingen: lange Macheten und nur unwesentlich kürzere Bowiemesser.
    Wie ein Schilfrohr bog sich David von dem ersten Machetenhieb weg, den nachsetzenden Stich mit dem Jagdmesser wehrte er mit dem eigenen Buschmesser ab und ließ im selben Moment seinen linken Ellenbogen gegen die Schläfe des Angreifers krachen, was diesen nachhaltig betäubte. Den vierten und letzten Klingenträger konnte er aus Zeitmangel nicht so »schonend« ins Reich der Träume schicken. Der Mann büßte für seine Arglist die rechte Hand ein.
    »Bedanke dich bei deinem Herrn dafür«, zischte David. Er hasste es, wenn man ihn zu derlei Taten zwang. Im Mondlicht bemerkte er eine Tätowierung auf dem herrenlosen Glied, die wie ein Schriftzug aussah. Zornig riss er sich von dem grausigen Anblick los. Der Kampf hatte nicht länger als fünfzehn Sekunden gedauert. Fünf weitere benötigte er nun, um festzustellen, woher die Angreifer gekommen waren. Unter den Bodendielen des Ankleidezimmers gab es eine Geheimtür. Licht schimmerte herauf. Und Stimmen drangen empor!
    Wer konnte schon wissen, wie viele Palastwachen ihm Barrios der Altere noch hinterherschicken würde? David beschloss jedem weiteren Gemetzel aus dem Weg zu gehen und wandte sich wieder dem Panzerglas zu. Er riss die rechte Hand hoch und schrie: »Fort!«
    Krachend flog das zuvor nur eingerissene Glas in den Dschungel hinaus. »Du hast nichts gesehen«, sagte David drohend zu dem Mann, der seinen Armstumpf wimmernd unter die linke Achsel presste, »und falls doch, komme ich zurück und stelle mit dir das Gleiche an wie mit der Scheibe.« Mit diesen Worten stieg er durch das Fenster in den Dschungel hinaus.
    Der Unterschied hätte nicht größer sein können. Aus dem fast sterilen Milieu des voll klimatisierten und unnatürlich stillen Palastes kommend, tauchte David in eine Welt aus schwüler Hitze, wuchernden Pflanzen und vielfältigen Geräuschen ein. Unheimliche Schreie drangen an sein Ohr. Kaum hatte er die ersten Bäume erreicht, fielen auch schon Schüsse. Genau das hatte er vermeiden wollen: eine Fuchsjagd, bei der er die Rolle des Rotpelzes spielte. Er zog den Kopf ein und verschwand im Reich des Jaguars.
    Die Lichtverhältnisse unter dem Baldachin des Waldes waren, gelinde gesagt, bescheiden. Und bald würde es sogar stockfinster sein. David musste das letzte Tageslicht nutzen, um ein sicheres Versteck zu finden. Sich umzuschauen wagte er nicht. Die Taschenlampe zu benutzen noch viel weniger. Seine Sekundenprophetie musste ihn warnen: vor Wurzeln, über die man stolpern, und Kugeln, von denen man durchlöchert werden konnte.
    Die Verfolger ballerten mit ihren Gewehren in den Wald, als gelte es, sämtliche Blätter zu treffen. Erst nach einer gewissen Zeit nahm die Knallerei ab. Vermutlich hatte jemand ein Machtwort gesprochen. Das Wild könne ja den Lärm nutzen, um sich stillschweigend zu verdrücken.
    Solange hinter David geschossen wurde, rannte er ohne Rücksicht auf knackende Äste durch den Wald. Mit der erbeuteten Machete mähte er Farne, Wedel und dünnere Äste nieder. Erst als es hinter ihm ruhig geworden war, stellte auch er seine Taktik um. Nun begann das Schleichen und gegenseitige Belauern. David spähte durch Blätter, drückte mit dem Buschmesser leise einen Ast beiseite, huschte ein Stück voran, beobachtete wieder und überwand die nächste Etappe mit schnellen Schritten. Er kam nur langsam voran, während sich die Verfolger formierten – jemand musste ihnen verraten haben, wie eine ordentliche Treibjagd funktionierte, und die Indios waren gelehrige Schüler. Die Luft wurde wieder bleihaltiger. Einmal fiel sogar ein getroffener kleiner Affe direkt vor Davids Füße. Der Ring zog sich enger.
    Tief geduckt schlich sich David voran, weg vom schwindenden Tageslicht, ungefähr in Richtung Osten. Wieder peitschte ein Schuss durch das Zwielicht und schlug dicht über ihm in einen Baum ein. Vögel flohen protestierend in die Nacht. David wünschte sich Flügel wie sie…
    Und in diesem Moment wäre er

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