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Der Kreis der Dämmerung 03 - Der weiße Wanderer

Titel: Der Kreis der Dämmerung 03 - Der weiße Wanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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gefälligst diese Zweideutigkeiten! Das ist mein Revier. »Ich wünsche und hoffe, diesen Tag noch zu erleben, Don Alfonso.«
    »Schön, schön. Aber Sie wurden doch bestimmt nicht zu mir geschickt, um mir beim Lamentieren über David Camden Gesellschaft zu leisten. Was ist der eigentliche Anlass Ihres Besuches, Herr Schwertfeger?«
    »Ein Treffen der Logenbrüder, eine Konferenz zur Koordinierung der gemeinsamen Anstrengungen. Camden soll ein Köder hingeworfen werden, dem er nicht widerstehen kann.«
    Barrios der Altere blieb gelassen. »Bisher hat das wenig gebracht. Camden ist wie der Wind. Er kommt und geht, wie er will: unsichtbar. Nur, wenn er da ist, kann man ihn wahrnehmen. Entweder wird man dann von ihm getötet oder man bringt ihn zuerst um.«
    Die Unterhaltung wurde David immer unheimlicher. Ein Schaudern unterdrückend antwortete er: »Darin stimmen auch die anderen Brüder überein. Deshalb überbringe ich den Plan.«
    »Von wem?«
    »Wie bitte?«
    »Sie haben bisher noch nicht erwähnt, welcher meiner Brüder Sie geschickt hat.«
    David zögerte. Der alte Mann wartete geduldig. Er hatte offensichtlich Zeit. Ausweichend antwortete David endlich: »Sie haben meine Legitimation gesehen.«
    »Ja.«
    »Dann müssten Sie auch wissen, wessen Handschrift das ist.«
    »Allerdings.«
    »Mein Auftraggeber war der Meinung, das Dokument würde als Ausweis für mich genügen.«
    »So, so.«
    David nickte. Nein, dieses Gespräch gefiel ihm nicht.
    »Sind Sie der gleichen Ansicht, Herr Schwertfeger?«
    »Ich bin nur ein Bote. Wie könnte ich etwas anderes behaupten, Don Alfonso?«
    Noch einmal lieferten sich David und der alte Mann einen Kampf der Blicke. Der Urenkel des Logenbruders jenseits des Tisches war stummer Zeuge, angespannt, aber abwartend.
    Mit einem Mal lächelte Justo Rufino Barrios wieder, als habe nur eine Gewitterwolke sein Gesicht verdüstert und sei nun ohne Wolkenbruch abgezogen. In bester Laune verkündete er: »Jorge wird mich auf Diät setzen, wenn ich ihm nicht endlich erlaube, das Essen aufzutragen. Jorge ist mein Koch. Lassen Sie uns zunächst den Lunch einnehmen, Herr Schwertfeger. Alles Weitere können wir später bereden, vielleicht sogar beim Dinner. Heute lasse ich Sie sowieso nicht mehr zurückfliegen. Der Ruf meiner Gastfreundschaft dürfte, nehme ich an, auch Sie schon erreicht haben.«
    David stand hinter der Panzerglasscheibe seiner Zimmerflucht und blickte grimmig auf den Dschungel hinaus. Er hat mich durchschaut. Seine Gedanken kreisten immer wieder um diesen Punkt. Der Lunch hatte unverfänglich begonnen, Barrios der Ältere hatte von seinen Umzugsüberlegungen erzählt – die Regierung plane, im nächsten Jahr aus Tikal einen Nationalpark zu machen, womit der Palast des Großen Jaguars die längste Zeit ein Ort der Ruhe und Abgeschiedenheit gewesen sei – und war plötzlich davongerauscht. Angeblich eine wichtige Besprechung, mit wem, sagte er nicht. Trotz angestrengten Grübelns kam David nicht darauf, wann er den entscheidenden Fehler gemacht hatte. Barrios’ Misstrauen musste langsam gewachsen sein. Aber spätestens, als es um den Urheber der Legitimation ging, war das Gespräch gekippt.
    David schalt sich einen Narren, geglaubt zu haben, er könne einen Logenbruder Belials mit der gleichen plumpen Masche aufs Kreuz legen wie An Chung-gun. Letzterer war nur ein kleines Zahnrädchen in Belials Getriebe gewesen, aber Barrios der Altere kannte den Jahrhundertplan und dessen Akteure von Anfang an. Es konnte tausend Gründe geben, warum Franz von Papen nicht der Verfasser des Dokuments war. Vermutlich würde David nie erfahren, welchen Fehler er begangen hatte.
    Wie zur Bestätigung seiner düsteren Ahnungen hörte er mit einem Mal das dumpfe Dröhnen eines Flugzeugmotors. Das Panzerglas ließ das Geräusch nur gedämpft ins Innere dringen. David hielt über den Baumkronen nach einer weiteren Transportmaschine Ausschau, stattdessen entdeckte er Manuel Barrios. In seiner Piper drehte er eine Runde über dem Palast des Großen Jaguars, als wolle er Abschied nehmen…
    Vom langjährigen Refugium im Dschungel oder von mir? Die Frage stand plötzlich groß vor Davids innerem Auge. Dieses Flugmanöver hatte etwas Höhnisches an sich, als wolle Barrios der Jüngere ihm aus den Wolken herunter mitteilen: Da unten sitzt du in einem goldenen Käfig, und wenn wir dich genug gemästet haben, schlachten wir dich.
    Wusste Manuels Urgroßvater, wen er sich da in den Palast geholt hatte?

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