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Der Kreuzfahrer

Der Kreuzfahrer

Titel: Der Kreuzfahrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angus Donald
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Nachdem wir die üblichen Höflichkeiten ausgetauscht hatten, fragte ich ihn, was König Richard zu dem schrecklichen Entschluss getrieben habe, sämtliche gefangenen Sarazenen töten zu lassen. Ich fand die Handlungsweise meines Herrschers noch immer schockierend und muss gestehen, dass mein Glaube an ihn als edelsten aller christlichen Ritter ins Wanken geraten war.
    »Das war keine hübsche Sache, ich weiß«, antwortete Ambroise, »aber leider notwendig. Abgesehen von dem vielen Christenblut, das diese Leute während der Belagerung vergossen haben und das nach Rache verlangt – was hätte Richard denn mit ihnen tun sollen?«
    »Er hätte warten können, bis das Lösegeld bezahlt ist«, erwiderte ich, »um sie dann freizulassen. Saladin genießt den Ruf eines Ehrenmannes, der zu seinem Wort steht. Gewiss hätte er bezahlt, wenn man ihm genug Zeit gelassen hätte. Meinst du nicht?«
    »Ach, Alan, du bist manchmal wirklich naiv. Ja, es heißt, Saladin sei ein Ehrenmann, aber er ist auch ein Krieger, ein großer Feldherr. Während Richard diese Leute gefangen hielt, konnte er sich nicht aus Akkon wegrühren. Saladin wusste das, und deshalb hat er die Zahlung so lange wie möglich hinausgezögert. Richard saß wegen der Gefangenen hier fest. Er konnte es sich nicht leisten, sie freizulassen, denn sie hätten sich nur den feindlichen Truppen angeschlossen. Er konnte sie auf dem Marsch nach Jerusalem auch nicht mitnehmen – stell dir nur vor, wie viele Männer man brauchte, um auf einer so langen, staubigen Strecke fast dreitausend Leute zu bewachen. Außerdem wäre es sehr teuer gewesen, sie mit Wasser und Nahrung zu versorgen. Nein, er konnte sie weder freilassen noch mitnehmen. Er hat darauf gewartet, dass Saladin sie freikauft, doch als er einsehen musste, dass der Sarazenenfürst weder bezahlen noch das Stück des Wahren Kreuzes übergeben würde – da blieb Richard keine andere Wahl, als das zu tun, was er dann auch getan hat.«
    Ich schüttelte den Kopf. Ich war ganz sicher, dass es irgendeine andere Möglichkeit gegeben hätte.
    »Und diese blutige Angelegenheit hat einen weiteren Aspekt«, fuhr Ambroise fort, »der nicht weniger bedeutend ist. Wir haben Akkon erobert, doch das ist nicht die letzte Festung, die wir auf dem Weg in die Heilige Stadt werden einnehmen müssen, bei weitem nicht: Da sind noch Caesarea, Jaffa, Aschkelon … und viele weitere, ehe wir Jerusalem erreichen. Und all diese Städte beobachten sehr aufmerksam, wie Richard sich hier in Akkon verhält. Und was haben sie gesehen? Dass Richard die Regeln der Kriegführung achtet: Er akzeptiert die Kapitulation einer Stadt und verschont deren Bewohner,
wenn die vereinbarten Bedingungen eingehalten werden.
Doch er scheut nicht davor zurück, jeden abzuschlachten, der sich ihm in den Weg stellt oder eine Abmachung nicht einhält. Diese Städte haben gesehen, wozu Richard bereit ist, falls es nötig sein sollte, und ich wette, das wird es für uns viel leichter machen, sie einzunehmen.«
    Ich schauderte, als wäre jemand über mein Grab gelaufen. König Richards Haltung ähnelte auf unheimliche Weise Robins skrupelloser Einstellung gegenüber Leben und Tod.
    Später am Vormittag, als ich mit Robins Kavallerie angetreten war und wir auf Befehle warteten, blickte ich auf den bräunlich verfärbten, klumpigen Sand hinab, der unter meinen Stiefeln knirschte. Und ich fragte mich, ob all das Blut den Kampf um andere Städte tatsächlich leichter machen würde. Ich hielt das für unwahrscheinlich: Wenn ich als Verteidiger einer Stadt wüsste, dass Richard mich höchstwahrscheinlich würde hinrichten lassen, falls ich kapitulierte, würde ich nur umso verbissener darum kämpfen, sie zu halten. Aber was wusste ich denn schon?
     
    Der König hatte die Armee für den Marsch gen Süden in drei große Divisionen aufgeteilt, jede etwa fünf- bis sechstausend Mann stark. Die Männer der ersten Division hatte er selbst ausgewählt, darunter Sir Richard Malbête, die Tempelritter und Johanniter sowie die Kontingente der Bretonen, Angeviner und Poiteviner. Zur zweiten Division gehörten die englischen und normannischen Kontingente, die König Richards persönliches Drachenbanner trugen, und die Flamen unter James of Avesnes. Die dritte Division bestand aus den Franzosen und Italienern, angeführt von Hugh, dem Herzog von Burgund, als ranghöchstem französischen Adeligen im Heiligen Land. Wir würden an der Küste entlangmarschieren, begleitet von unserer

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