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Der Krieg am Ende der Welt

Der Krieg am Ende der Welt

Titel: Der Krieg am Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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liebsten allein. Antônio hatte sie oft gesehen, wenn sie in endlosen Gesprächen zwischen den Saatfeldern hinter Mocambo spazierengingen. »Wirst du João sehen?« fragte sie ihn. »Vielleicht. Was soll ich ihm sagen?« »Daß auch ich mich verdammen will, wenn er sich verdammt«, sagte sie sanft.
    Den Rest der Nacht verbrachte der ehemalige Kaufmann damit, zwei Häuser als Krankenstationen einzurichten und die Bewohner anderswo unterzubringen. Während er mit seinen Helfern die Zimmer ausräumte und Bahren, Betten, Decken, Wassereimer und Medikamente bringen ließ, verfiel er abermals in Traurigkeit. Es hatte solche Mühe gekostet, diese Erde wieder zum Tragen zu bringen, Kanäle zu ziehen, diese Steinwüste urbar zu machen und zu düngen, damit Mais, Bohnen, Zuckerrohr, Melonen und Sandias darauf wachsenkonnten, es hatte solche Mühe gekostet, Ziegen und Schafe herzubringen, aufzuziehen und sich fortpflanzen zu lassen. So vieler Arbeit, so vielen Glaubens, so vieler Hingabe so vieler Leute hatte es bedurft, damit diese Saaten und Pferche das wurden, was sie nun waren. Und jetzt zerstörten die Kanonen alles, und die Soldaten würden kommen und Leute erschlagen, die sich hier versammelt hatten, um in der Liebe zu Gott zu leben und sich selber zu helfen, da andere ihnen nie geholfen hatten. Er versuchte, diese Gedanken zu vertreiben und nicht in die Wut zu verfallen, gegen die der Ratgeber predigte. Ein Helfer kam, ihm zu sagen, die Hunde zögen schon über die Berge herab.
    Der Tag brach an, Trompeten schmetterten, an den Abhängen bewegten sich rot-blaue Gestalten. Mit gezogenem Revolver lief Antônio Vilanova in die Campo Grande, wo er rechtzeitig ankam, um zu sehen, daß fünfzig Meter vor ihm die Liniensoldaten den Fluß überquert hatten und eben, nach links, nach rechts schießend, den Schützengraben des alten Joaquim Macambira nahmen.
    Honório und ein halbes Dutzend Helfer hatten sich im Laden hinter Fässern, Ladentischen, Betten, Kisten und Erdsäcken verschanzt, die Antônio und seine Leute auf allen vieren, gezogen von denen, die drinnen waren, übersteigen mußten. Keuchend suchte er sich eine Stelle, die gute Sicht nach draußen bot. Die Schießerei war so heftig, daß er seinen Bruder nicht hören konnte, obwohl er dicht neben ihm stand. Er spähte durch die improvisierte Palisade. Erdfarbene Staubwolken rückten vom Fluß her über die Campo Grande und die Höhen der São José und Santa Ana vor. Er sah Pulverdampf, Flammen. Er dachte an seine Frau und seine Schwägerin, die drüben in der Santa Ana waren und vielleicht samt den Verwundeten im Gesundheitshaus erstickten und verkohlten, und fühlte abermals Wut. Aus Rauch und Staub tauchten mehrere Soldaten auf und schauten wie wahnsinnig nach allen Seiten. Die Bajonette an ihren langen Gewehren blitzten. Einer warf eine Fackel auf die Palisade. »Lösch sie!« brüllte Antônio dem Jungen zu, der neben ihm stand, während er auf die Brust des vordersten Soldaten zielte. Fast ohne zu sehen, wegen des Pulverdampfs, verschoß er alle Kugeln seines Revolvers. Während er, an ein Faß gelehnt, lud, sah er, daß Pedrino, der Junge, dem er befohlen hatte, die Fackel zu löschen, mit blutigem Rücken auf dem geteerten Holz lag. Aber er konnte nicht zu ihm, denn nun brach links von ihm die Palisade ein, und zwei Soldaten, sich gegenseitig im Weg, drängten in den Laden. »Vorsicht, Vorsicht!« schrie er den anderen zu, während er schoß, bis er abermals den Hahn leer aufschlagen hörte. Die beiden Soldaten waren gefallen, und als er mit dem Messer in der Hand zu ihnen lief, hatten drei Helfer sie unter Verwünschungen schon getötet. Er blickte sich nach Honório um und sah mit Freude, daß er unversehrt war und ihm zulächelte. »Alles klar, Compadre?« sagte sein Bruder, und er nickte. Er ging nach Pedrino sehen. Er war nicht tot, hatte aber außer der Wunde im Rücken Verbrennungen an der Hand. Er trug ihn in den Nebenraum und legte ihn auf ein paar Decken. Pedrino war ein Waisenkind, das er und Antônia zu sich genommen hatten, kurz bevor sie nach Canudos gekommen waren. Als er einen neuen Schußwechsel hörte, deckte er den Jungen zu und sagte im Weggehen: »Gleich bin ich wieder da und versorge dich, Pedrino.«
    An der Palisade schoß sein Bruder mit dem Gewehr eines der Soldaten, und die Helfer hatten das Loch im Verhau geschlossen. Wieder lud er seinen Revolver und stellte sich neben Honório, der zu ihm sagte: »An die dreißig sind eben

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