Der Krieg am Ende der Welt
Dutzende von Männern, um sich der Verfolgung anzuschließen. Er sah João Grande, den barfüßigen Riesen, zum Straßenkommandanten rennen und sich im Laufen mit ihm besprechen. Die Soldaten hatten sich hinter dem Friedhof verschanzt, vor der São Cipriano wurden die Jagunços mit einem Kugelhagel empfangen. Sie werden ihn töten, dachte Antônio, der sich zu Boden geworfen hatte, als er João Abade mitten auf der Straße stehen und seinen Leuten Zeichen geben sah, sie sollten sich in die Häuser flüchten oder hinwerfen. Dann hockte er sich neben Antônio und sagte:
»Geh zurück, die Barrikaden verstärken. Wir müssen sie hier abdrängen und dahin treiben, wo Pajeú über sie herfallen wird. Geh und sieh zu, daß sie nicht von der anderen Seite hereinkommen.«
Antônio nickte, und gleich darauf lief er, gefolgt von Honório, seinen Helfern und weiteren zehn Männern, an die KreuzungMártires Campo Grande. Endlich, schien ihm, kam er wieder zu Bewußtsein, heraus aus der Betäubung. Du kannst organisieren, dachte er. Und genau das ist jetzt nötig. Er ließ die Leichen und den Schutt vom Kirchplatz an die Barrikaden schleppen und half selber mit, bis er, mitten im Hin und Her, aus einem Haus Schreie hörte. Er betrat es als erster, nachdem er die Tür eingetreten und auf einen hockenden Soldaten geschossen hatte. Verblüfft stellte er fest, daß er den Soldaten beim Essen getötet hatte: in der Hand hielt er ein Stück Dörrfleisch, das er sicherlich vom Herd geholt hatte. Neben ihm lag der Hausbewohner, ein alter Mann, mit einem Bajonett im Bauch, im Sterben, und drei kleine Kinder schrien wie am Spieß. Wie hungrig muß er gewesen sein, dachte er, um alles zu vergessen und sich für einen Bissen Dörrfleisch umbringen zu lassen. Zu fünft durchsuchten sie die Häuser zwischen der Kreuzung und dem Kirchplatz. Alle sahen wie Schlachtfelder aus: Unordnung, Löcher in den Dächern, eingestürzte Wände, zertrümmerte Gegenstände. Frauen, Greise, Kinder, alle mit Schaufeln und Spaten bewaffnet, waren erleichtert bei ihrem Anblick und redeten wild durcheinander. In einem Haus fand er zwei Kübel Wasser, und nachdem er selbst getrunken hatte und die anderen hatte trinken lassen, schleppte er sie zu den Barrikaden. Er sah, mit welcher Seligkeit Honório und die anderen schlürften. Er stellte sich hinter die Barrikade und hielt Ausschau zwischen den Trümmern und den Toten. Die einzige gerade Straße von Canudos, die Campo Grande, war menschenleer. Rechts davon nahmen die Schießereien und die Brände zu. »In Mocambo geht es wild her, Compadre«, sagte Honório. Sein Gesicht war knallrot und schweißüberströmt. »Von hier werden sie uns nicht vertreiben, was?« »Klar, von hier nicht, Compadre«, antwortete Honório. Antônio setzte sich auf einen Karren, und während er seinen Revolver lud, sah er, daß sich die meisten Jagunços mit Gewehren der Soldaten bewaffnet hatten. Sie gewannen ihnen den Krieg ab. Er dachte an die zwei Sardelinhas in der Santa Ana.
»Bleib du hier und sag João Abade, daß ich ins Gesundheitshaus gegangen bin«, sagte er zu seinem Bruder.
Beim Übersteigen der Barrikade trat er auf Leichen, auf denen Myriaden von Fliegen saßen. Vier Jagunços folgten ihm. »Werhat euch befohlen mitzukommen?« raunzte er sie an. »João Abade«, erwiderte einer. Er hatte keine Zeit zu antworten, denn in der São Pedro sahen sie sich in eine Schießerei verwickelt: an den Türen, auf den Dächern, in den Häusern wurde gekämpft. Sie liefen zur Campo Grande zurück und erreichten auf einem anderen Weg die Santa Ana, ohne auf Soldaten zu stoßen. Aber in der Santa Ana fielen Schüsse. Sie kauerten sich hinter ein rauchendes Haus und beobachteten. Auch über dem Gesundheitshaus hing eine Rauchwolke, dort wurde geschossen. »Ich will näher hin, wartet hier«, sagte er, aber als er vorwärtsrobbte, sah er die Jagunços neben sich kriechen. Ein paar Meter weiter entdeckte er endlich ein halbes Dutzend Soldaten, die nicht auf sie, sondern auf die Häuser schossen. Er sprang auf und lief auf sie zu, so schnell ihn die Beine trugen, den Finger am Abzug, schoß aber erst, als einer der Soldaten den Kopf nach ihm umdrehte. Er feuerte seine sechs Kugeln auf ihn ab, und einem anderen, der ihn ansprang, schleuderte er sein Jagdmesser entgegen. Er stürzte und hängte sich an die Beine dieses oder eines anderen Soldaten, und ohne zu wissen wie, sah er sich ihm mit aller Kraft den Hals zudrücken. »Zwei Hunde hast du
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