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Der Krieg am Ende der Welt

Der Krieg am Ende der Welt

Titel: Der Krieg am Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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unter Lasten gebeugte Träger (viele sind Jagunços). Er weiß, daß in diesen Holzkisten Geschosse sind, und in seinem Kopf entsteht ein Labyrinth von Zahlen, als er auszurechnen versucht, wie viele Kugeln auf jeden Einwohner von Belo Monte kommen werden.Seine Männer rühren sich nicht; man könnte meinen, daß sie nicht atmen, nicht blinzeln. Keiner macht den Mund auf. Stumm, bewegungslos, eins geworden mit den Steinen, den Kakteen, den Sträuchern, die sie unsichtbar machen, hören sie die Trompetensignale, die Befehle von einem Bataillon zum andern tragen, sehen die Fahnen der Eskorten wehen, hören die Kanoniere an den Geschützen schreiend die Ochsen, Maultiere und Esel antreiben. Jede Einheit rückt in drei getrennten Gruppen vor, wobei die mittlere jeweils wartet, bis die zwei seitlichen ein Stück weit voraus sind, um ihrerseits vorzurücken. Weshalb dieses Manöver, das sie doch aufhält, ein Vormarsch, der gleichzeitig als Rückzug erscheint? Pajeú begreift, daß sie es tun, um zu verhindern, daß sie überraschend an den Flanken angegriffen werden, wie damals, als die Jagunços das Vieh und die Soldaten des Halsabschneiders praktisch vom Wegrand aus überfielen. Während er das laute, bunte Spektakel betrachtet, das sich in aller Ruhe zu seinen Füßen abspielt, fragt er sich wieder: Welche Route werden sie einschlagen? Und wenn sie sich auffächern und aus zehn Richtungen gleichzeitig nach Canudos einmarschieren?
    Nachdem auch die Nachhut vorüber ist, verläßt er seinen Ausguck, um die Soldaten zwei Meilen weiter, in Jueté, abermals abzupassen. Auf dem Weg, zu dem sie zwei Stunden brauchen, hört Pajeú seine Männer leise über die Ausmaße der Kanone reden, die sie die Metzlerin getauft haben. Er heißt sie schweigen. Aber es stimmt, sie ist riesig und kann sicher mit einem Schuß mehrere Häuser in die Luft jagen, vielleicht sogar die Steinwände des Tempels durchschlagen. Er wird Jaão Abade über die Metzlerin Bescheid sagen müssen.
    Wie er kalkuliert hat, kampieren die Soldaten an der Lagoa da Laje. Pajeú und seine Männer gehen so nahe an den Baracken vorbei, daß sie die Wachen die Ereignisse des Tages besprechen hören. Vor Mitternacht vereinigen sie sich mit Taramela und dessen Männern in Jueté. Dort erwartet sie auch ein Bote von Mané Quadrado und Macambira, die beide schon in Rosario sind. Unterwegs haben sie berittene Patrouillen gesehen. Während die Männer im Mondschein trinken und sich in dem kleinen See von Jueté waschen, an den die Hirten früher ihre Herden trieben, fertigt Pajeú den Spurensucher an João Abadeab, dann legt er sich schlafen zwischen Taramela und einem Alten, der immer noch von der Metzlerin redet. Es wäre gut, wenn die Hunde einen Jagunço fingen und dieser verriete ihnen, daß alle Zugänge nach Belo Monte geschützt seien, außer der Hügelgruppe der Favela. Diese Idee geht Pajeú durch den Kopf, bis er einschläft. Im Traum besucht ihn die Frau.
    Als es zu tagen beginnt, kommt die Gruppe von Felicio. Sie ist von einer der Patrouillen überrascht worden, die am Ende der Kolonne den Konvoi der Rinder und Ziegen flankieren. Sie seien auseinandergelaufen und hätten keine Verluste gehabt, aber danach wieder zusammenzufinden, sei schwierig gewesen. Drei fehlten noch immer. Als sie von dem Zusammenstoß an der Lagoa da Laje hören, bricht ein Junge von höchstens dreizehn, den Pajeú als Boten verwendet, in Tränen aus. Er ist der Sohn des Jagunço, den die Hunde beim Abdecken des Hauses überrascht und getötet haben. Während sie in kleinen Gruppen nach Rosario marschieren, geht Pajeú zu dem Jungen. Der versucht krampfhaft, seine Tränen zurückzuhalten, doch hin und wieder schluchzt er. Pajeú fragt ihn ohne Umschweife, ob er etwas für den Ratgeber tun wolle, etwas, das helfen werde, seinen Vater zu rächen. Der Junge sieht ihn mit solcher Entschlossenheit an, daß es einer anderen Antwort nicht bedarf. Er erklärt ihm, was er von ihm will. Um sie herum entsteht ein Kreis von Jagunços, die zuhören und abwechselnd von Pajeú zu dem Jungen schauen.
    »Es ist nicht damit getan, daß du dich schnappen läßt«, sagt Pajeú. »Sie müssen auch glauben, daß du dich nicht schnappen lassen wolltest. Es ist nicht damit getan, daß du gleich drauflosredest, sie müssen glauben, daß sie dich zum Sprechen gebracht haben. Du mußt es also in Kauf nehmen, daß sie dich schlagen und sogar mit dem Messer stechen. Sie müssen glauben, daß du dich fürchtest. Kannst

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