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Der Krieg am Ende der Welt

Der Krieg am Ende der Welt

Titel: Der Krieg am Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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keine Berechnungen anstellen«, fuhr er fort, seine Hände ineinanderpressend. »Aber einer könnte uns auf die Spur bringen. Ein interessantes Subjekt, Baron. Er war imRegiment von Moreira César gewesen und nahm an der Spitze einer Kompanie aus Rio Grande do Sul auch an der vierten Expedition teil. Der Fähnrich Maranhão.«
    Der Baron sah ihn an und erriet beinahe, was er hören würde.
    »Wußten Sie, daß Schlachten durch Halsschnitt eine Gaucho-Spezialität ist? Fähnrich Maranhão und seine Leute waren solche Spezialisten. Bei ihm kam zur Geschicklichkeit noch die Vorliebe. Mit der linken Hand faßte er den Jagunço an der Nase, zog ihm den Kopf nach hinten und führte den Schnitt aus. Einen fünfundzwanzig Zentimeter langen Schnitt, der die Halsschlagader durchtrennt: der Kopf kippt wie bei einer Marionette.«
    »Wollen Sie mich weichmachen?« sagte der Baron.
    »Wenn Fähnrich Maranhão uns sagen würde, wie vielen Jagunços er und seine Männer die Kehle durchgeschnitten haben, dann wüßte man, wie viele in den Himmel gekommen sind und wie viele in die Hölle«, nieste der kurzsichtige Journalist. »Das Schlachten durch Halsschnitt hat anscheinend auch diesen Nachteil: es befördert die Seele in die Hölle.«
    In der Nacht, in der er Canudos mit dreihundert Bewaffneten verläßt – mehr als er je angeführt hat –, befiehlt sich Pajeú, nicht an die Frau zu denken. Er weiß, wie wichtig sein Auftrag ist, und auch seine Gefährten wissen es, die er unter den besten Marschierern von Canudos ausgewählt hat (sie werden viel gehen müssen). Am Fuß der Favela machen sie Rast. Auf die Vorhügel des Berges zeigend, der kaum zu sehen ist in der von Grillen und Fröschen erregten Dunkelheit, schärft ihnen Pajeú noch einmal ein, daß dies der Ort ist, an den die Hunde umgeleitet, den sie hinaufgetrieben und an dem sie eingeschlossen werden müssen, damit João Abade und João Grande und alle, die nicht mit Pedrão und den Vilanova nach Jeremoabo den von dort kommenden Soldaten entgegengezogen sind, sie von den umliegenden Hügeln und Ebenen aus beschießen können, wo die Jagunços bereits in den reichlich mit Munition versehenen Schützenlöchern Position bezogen haben. João Abade hat recht: sie auf diesen kahlen Berg zu treiben ist dierichtige Art, der verfluchten Brut einen tödlichen Schlag zu versetzen. Nirgends werden sie Deckung finden, und die Schützen können sie aufs Korn nehmen. »Entweder gehen die Soldaten in die Falle und wir erledigen sie«, hat der Straßenkommandant gesagt, »oder wir selbst sind erledigt, denn wenn sie Belo Monte einkreisen, haben wir weder die Männer noch die Waffen, ihren Angriff aufzufangen. Von euch hängt es ab.« Pajeú rät den Männern, mit der Munition sparsam umzugehen, immer zuerst auf die Hunde zu zielen, die Abzeichen am Ärmel haben oder einen Säbel tragen und beritten sind, und sich ja nicht blicken zu lassen. Er teilt sie in vier Gruppen ein und bestellt sie für den nächsten Abend an die Lagoa da Laje, nicht weit von der Serra de Aracati, wo bis dahin, wenn seine Berechnungen stimmen, die Vorhut ankommen muß, die gestern von Monte Santo aufgebrochen ist. Keine der Gruppen darf den Kampf eröffnen, wenn sie auf Patrouillen stößt; sie sollen sich verstecken und sie vorüberziehen lassen, ihnen allenfalls einen Spurensucher nachschicken. Nichts und niemand darf sie ablenken von der Aufgabe, den Hund auf die Favela zu locken.
    Die achtzig Mann starke Gruppe, die bei ihm bleibt, setzt den Marsch als letzte fort. Einmal mehr in den Krieg ... Solange er denken kann, ist er so viele Male aufgebrochen, nachts, heimlich, um einen Schlag zu führen oder einen gegen ihn gerichteten zu vereiteln, daß er diesmal nicht unruhiger ist als andere Male. Für Pajeú ist das das Leben: einem Feind entgegengehen oder fliehen, beides in dem Bewußtsein, daß es immer, davor und danach, im Raum und in der Zeit, Kugeln, Verwundete, Tote gegeben hat und geben wird.
    Das Gesicht der Frau drängt sich einmal mehr in seinen Kopf, hartnäckig, ungebeten. Der Caboclo will das blasse Antlitz, die Augen, das glatte, lose auf die Schultern fallende Haar verscheuchen und sucht angestrengt etwas anderes, worüber er nachdenken kann. Neben ihm geht Taramela, klein, energisch, kauend, glücklich, weil er ihn wie in alten Räuberzeiten begleitet. Hastig fragt ihn Pajeú, ob er die Eiweißsalbe mitgenommen hat, das Mittel, das am besten gegen den Biß der Kobra wirkt. Taramela erinnert ihn,

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