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Der Krieg der Ketzer - 2

Der Krieg der Ketzer - 2

Titel: Der Krieg der Ketzer - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Weber
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die Kette nicht an irgendetwas scheuerte – das war jetzt noch wichtiger geworden, schließlich verfügte das Schiff nach diesem Zusammenstoß nur noch über diesen einen Anker. Natürlich war auch ein Mann im Krähennest der Galeere stationiert, aber nicht, weil irgendjemand – einschließlich des Mannes dort oben selbst – wirklich damit rechnete, es könne irgendetwas zu erspähen geben. Er war nur dort, weil Graf Thirsk angeordnet hatte, auf jedem Schiff einen Späher aufzustellen, und der bedauernswerte Seemann, der jetzt im Krähennest der Royal Bédard kauerte, ärgerte sich immens über diesen Befehl, weil er jetzt ohne jeden Grund in diesem kalten, vibrierenden, regen- und windgepeitschten Korb durchgeschüttelt wurde.
    Er war nass und durchgefroren und fühlte sich so jämmerlich wie jeder andere an Bord, und sein Körper schrie regelrecht nach einer Pause. Er kauerte sich im Krähennest noch enger zusammen, schlang sein Ölzeug fester um sich, damit es ihn zumindest ein wenig schützte, und konzentrierte sich alleine darauf, lange genug durchzuhalten, bis er endlich abgelöst wurde und sich in seine Hängematte fallen lassen konnte.
    Um der Wahrheit die Ehre zu geben: Selbst wenn er putzmunter und wachsamer gewesen wäre, hätte er angesichts der herrschenden Wetterbedingungen mit größter Wahrscheinlichkeit höchstens Sekunden vor der Ankerwache, die tiefer auf Deck stand, überhaupt etwas erspähen können. Doch das lag daran, dass die HMS Dreadnought sämtliche Laternen und Positionsleuchten gelöscht hatte, von einer einzigen, abgeschirmten Lampe auf dem Poopdeck abgesehen, und deren Lichtkegel war geradewegs achteraus ausgerichtet.
    Die arme Royal Bédard hingegen hatte – genau wie alle anderen Galeeren, die hier zusammen mit ihr vor Anker gegangen waren, und im Gegensatz zu Caylebs Flaggschiff – vorschriftsmäßig Positionsleuchten gesetzt: Ankerlaterne und Hecklicht ebenso wie die Leuchten nahe aller Einstiegsluken. Unter Deck brannten weitere Laternen; Licht drang aus den Bullaugen an Bug und Heck, aus den Ruderöffnungen, Deckluken und geöffneten Speigatts. Trotz der Dunkelheit und des Regens war sie alles andere als schwer zu sehen.
    Einer der Männer von der Ankerwache richtete sich plötzlich auf, spähte in die Nacht hinaus, als ein Schatten sich zwischen ihn und die Heckfenster der Paladin zu schieben schien, fast geradewegs nördlich seines eigenen Schiffes.
    »Was ist denn das bitte?«, fragte er einen seiner Kameraden.
    »Was ist denn ›was‹?«, gab einer von ihnen gereizt zurück. Er war ob des Wetters nicht erbauter als alle anderen, auch nicht ausgeruhter, und seine Laune war alles andere als gut.
    »Das da!«, erklärte der Erste mit scharfer Stimme, als der nur undeutlich erkennbare Schatten mit einem Mal viel besser sichtbar wurde. »Das sieht ja aus wie …« Reglos stand Captain Gwylym Manthyr am Schanzkleid des Achterdecks. Kein Wort wurde gesprochen, während die gesamte Mannschaft der Dreadnought auf Gefechtsstation wartete, bewegungslos wie Statuen. Der Captain wusste, dass der Kronprinz, dessen Gardisten der Marines und Lieutenant Athrawes hinter ihm standen, doch seine ganze Aufmerksamkeit galt den Laternen, Fenstern und Speigatts, die dort vor ihm im Regen schimmerten.
    Selbst jetzt noch konnte Manthyr kaum glauben, dass Prinz Cayleb sie mit untrüglicher Sicherheit mit der Flut in die ›Klippenstraße‹ gebracht hatte. Der Tidenhub, die Strömung und der Wind hatten gemeinsam gefährliche Turbulenzen hervorgerufen, doch der Kanal zwischen dem ›Klippenhaken‹ und Opal Island hatte sich tatsächlich als ebenso breit erwiesen, wie die Karten das behauptet hatten. Und das war auch gut so. Der Windschatten, der sich durch die hoch aufragenden Wände des ›Klippenhakens‹ ergab, hatte der Dreadnought mehrere Minuten lang jeglichen Wind aus den Segeln genommen, und es dauerte mehrere Minuten, bis das Schiff durch den eigenen Schwung und den Schub der Tide wieder aus diesem Windschatten herausgekommen war.
    In deutlich beengteren Gewässern hätte sich das durchaus tödlich auswirken können, doch Cayleb hatte einen Kurs anlegen lassen, der das Schiff, soweit Manthyr das beurteilen konnte, genau in die Mitte der tieferen Fahrrinne gebracht hatte. Und nun standen sie kurz davor, die Früchte des Wagemutes zu ernten, den der Kronprinz hier an den Tag gelegt hatte.
    Erstaunt stellte der Captain fest, dass er den Atem anhielt, und er stieß ein leises Schnauben aus.

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