Der Krieg der Ketzer - 2
hinauf, dann dachte er sichtlich nach, bevor er sich zu Manthyr herumdrehte. Es war unmöglich, dass irgendjemand an Deck gehört hatte, was er seinem Flag Captain gesagt hatte, doch das ganze Gespräch dauerte auch kaum länger als eine Minute. Dann wandte sich Manthyr zum Rudergänger um.
»Legen Sie Südwest auf West!«, übertönte er das Tosen des Windes und das Rauschen der Wellen.
»Aye aye, Sir!«, bestätigte der Steuermann. »Südwest auf West!«
Er und sein Untergebener ließen das Steuerrad nach und nach fahren, Speiche um Speiche, den Blick stets auf den Kompass gerichtet. Tatsächlich einen exakten Kurs zu halten, war für jedes Segelschiff schlichtweg unmöglich, wie auch immer die Wetterverhältnisse geartet sein mochten. Bei diesem Wetter war schon der Versuch völlig nutzlos, doch beide waren äußerst erfahrene Rudergänger. Sie hielten sich so gut an den vorgegebenen Kurs, wie das nur menschenmöglich war, und Merlin lächelte zufrieden, als der entsprechende Kurs der Dreadnought, der sofort vor seinem geistigen Auge erschien, geradewegs in die tiefere Fahrrinne nördlich von Opal Island führte, zwischen dem ›Klippenhaken‹ und der sehr viel kleineren Crescent Island hindurch.
Oder, warnte er sich selbst, in das, was vor achthundert Jahren die tiefere Fahrrinne gewesen ist.
»Das hat er gut gemacht!«
Merlin drehte sich zu Falkhan um, als der Marine ihm diesen Satz ins Ohr rief. Im matten Schein des Oberlichtes konnten sie einander anblicken, und nun hob Merlin fragend eine Augenbraue.
»Wer hat was gut gemacht?«, fragte er nach.
»Cayleb«, erwiderte Falkhan und grinste breit. Dann wischte er sich das Wasser aus dem Gesicht und schüttelte den Kopf. »Diese Männer werden niemals erahnen, dass Ihr ihm die Kurskorrektur vorgegeben habt!«
»Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen!«, gab Merlin unschuldig zurück – was unter den gegebenen Windund Wasserverhältnissen nicht ganz einfach war.
»Ach, natürlich nicht, Seijin Merlin!«, stimmte Falkhan zu und grinste noch breiter; Merlin lachte. Dann wurde er schlagartig ernsthafter.
»Ihr habt recht, das hat er wirklich gut gemacht!«, schrie er dann zurück. »Und das ist hier tatsächlich wichtiger denn je!«
»Das wohl!« Falkhan nickte lebhaft. Dann blickte er wieder zu seinem Kronprinzen hinüber, und sein Lächeln verriet, dass er wirklich zufrieden mit ihm war. »Langsam wird er erwachsen, nicht wahr?«, fragte er Merlin.
»Das wohl!«, stimmte Merlin zu. »Das wohl!«
Falkhan hat recht, dachte er, und das in mehrerlei Hinsicht. Sein Geschick für Strategie und Taktik hatte Cayleb schon unter Beweis gestellt, und auch seine Bereitschaft, für seine Einschätzung einer gegebenen Lage einzutreten. Er fügte sich nicht einfach Merlins Vorschlägen – zumindest nicht, wenn er nicht der gleichen Ansicht war. Er machte sich Merlins Fähigkeiten zunutze … und traf dann eigene Entscheidungen.
Und der junge Mann legte auch immense Wachsamkeit Kleinigkeiten und Details gegenüber an den Tag. Er war bewusst weiter nach Osten gesegelt, als das eigentlich erforderlich gewesen wäre, bevor er wieder das Armageddon-Riff hatte ansteuern lassen. Auf diese Weise hatte er die ganze Überfahrt um mindestens zwei Stunden verlängert, und diese Zeit hatte Captain Manthyr dazu genutzt, die Feuer in der Kombüse wieder anfachen zu lassen und jedem Einzelnen an Bord so viel heiße Suppe, ein schweres Stew mit Reis und Gemüse, vorzusetzen, wie er nur essen konnte.
Es war unmöglich abzuschätzen, wie viel diese warme Mahlzeit den Männern bedeuten mochte, die schon einen anstrengenden Tag hinter sich hatten und eine noch anstrengendere Nacht vor sich. Doch Manthyr hatte auch dafür gesorgt, dass jeder Mann sich wenigstens zwei Stunden in die Hängematte zurückziehen konnte. Die Matrosen und die Marines an Bord der Dreadnought würden so gut genährt und so weit erholt in die Schlacht ziehen, wie es nur irgend möglich war, und es war dem Captain sogar gelungen, aus Segeltuch Trichter improvisieren zu lassen, um die Wassertanks wieder aufzufüllen – und dann hatte er die Köche angewiesen, noch fässerweise heißen Tee kochen zu lassen, bevor die Feuer in der Kombüse wieder gelöscht wurden.
Die Männer an Bord der Dreadnought wussten das alles sehr wohl zu schätzen, und es hatte sich auch herumgesprochen, dass der Prinz eigens dafür Zeit geschunden hatte. Genau das war die Art des Mitdenkens – und der Vorbereitung auf eine Schlacht –,
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