Der Krieg der Ketzer - 2
verwandelt. Dass in Wahrheit die ›Vierer-Gruppe‹ dahintersteckte, und nicht der gesamte Rat der Vikare, war bestenfalls bedeutungslos, für die meisten nur eine unbedeutende, künstlich herbeigeführte Unterscheidung – und weder Cayleb noch Gray Harbor hatten sich allzu große Mühe gegeben, diesen Unterschied deutlich zu betonen.
Die safeholdianische Reformation, die Merlin aufzuschieben gehofft hatte, zumindest bis Charis dazu wahrhaft bereit wäre, war bereits jetzt zu einer unumstößlichen Tatsache geworden. Er selbst konnte nichts tun, sie wieder ungeschehen zu machen, und der glühende Hass der Charisianer und ihres neuen Monarchen hätte es selbst dann nicht gestattet, wenn Merlin tatsächlich eine Möglichkeit dazu gefunden hätte.
Und zumindest lag die Initiative jetzt ganz in Caylebs Hand. Trotz ihrer eigenen Verluste war die Royal Charisian Navy immer noch die unangefochtene Herrscherin der Meere, denn es gab praktisch keine andere Navy mehr.
Gott alleine wusste, was die ›Vierer-Gruppe‹ unternehmen würde, sobald sie davon erführe. Kurzfristig konnte sie ohne eigene Flotte nichts unternehmen. Langfristig war zu bedenken, dass der Tempel über etwa fünfundachtzig Prozent der gesamten Bevölkerung des Planeten herrschte und einen gewaltigen Anteil des Gesamtreichtums dieser Welt im Griff hatte. Damit befand sich Charis gewaltig im Nachteil, doch falls das Cayleb Ahrmahk in irgendeiner Weise beunruhigte, dann ließ er sich Merlin gegenüber dies zumindest nicht anmerken. Außerdem arbeitete Cayleb bereits daran, diesen Nachteil zu minimieren.
Königin Sharleyans Abneigung gegen die Befehle, die ihr die ›Vierer-Gruppe‹ aufgezwungen hatte, bot Cayleb einen wunderbaren Ausgangspunkt, und die Tatsache, dass so viele der Kriegsschiffe unter ihrer Flagge kapituliert hatten, lieferte ihm auch gleich ein geeignetes Druckmittel. Cayleb hatte bereits einen Sonderbotschafter nach Cherayth ausgesandt, der ihr das Angebot machte, sämtliche Schiffe zurückkehren zu lassen, zusammen mit der gesamten Mannschaft, wenn sie im Gegenzug einen Friedensvertrag unterzeichnete, der diese Feindseligkeiten offiziell beendete.
So lautete zumindest die offizielle Botschaft. Das private Schreiben, das Cayleb an Sharleyan gerichtet hatte, enthielt einen Vorschlag für eine deutlich engere Zusammenarbeit. Er hatte sorgsam vermieden, in diesem Schreiben darauf einzugehen, dass die ›Vierer-Gruppe‹ über ihr Königreich im Allgemeinen und die Leistung ihrer Navy im Kampf gegen Charis hochgradig erbost sein würde. Und er deutete auch nicht einmal an, dass es die ›Vierer-Gruppe‹ nur noch weiter verärgern würde, wenn Cayleb die Schiffe, die seinerzeit ihre Flagge gestrichen hatten, wieder zurückkehren ließe. Beides betonte diese Tatsachen natürlich nur noch umso mehr. Doch in seinem Schreiben hatte Cayleb ausgiebig sämtliche Gründe angeführt, weswegen Hektor von Corisande so hassenswert und verabscheuungswürdig war – das waren Punkte, die Charis und Chisholm gemein hatten, und so hatte er auch vorgeschlagen, in genau dieser Richtung etwas zu unternehmen.
Und dann gab es natürlich immer noch Nahrmahn von Emerald. Der stand nun auf der anderen Seite der Charis-See, ohne jede Navy, ohne Verbündete und nur mit einer kaum erwähnenswerten Army.
Aber das kann warten, dachte Merlin, als die Orgelmusik einsetzte und die Pforten der Kathedrale geöffnet wurden. Die Zeit würde kommen, da man sich mit all diesen Bedrohungen würde befassen müssen. Eine Zeit der Analyse, der Planung, eine Zeit, in der man Gelegenheiten und Gefahren als solche würde erkennen müssen. Doch diese Zeit war noch nicht gekommen, und falls er sich in dieser Hinsicht tatsächlich täuschen sollte, so war ihm das im Augenblick völlig egal.
Vielleicht war es ›falsch‹, so zu denken, so wie er der Ansicht war, es sei falsch von Haarahld gewesen, sich Black Waters Flaggschiff entgegenzustellen, statt es ziehen zu lassen. Schließlich war Merlin Athrawes ein Wesen aus Schaltungen und Legierungen, angefüllt mit dem kalten Geflüster von Elektronen, nicht mit Fleisch und Blut oder dem schlagenden Herzen eines Menschen. Es lag in seiner Pflicht, auf derartige Bedrohungen zu achten, derartige Gelegenheiten aufzuspüren und zu erkennen, und auch zu ermitteln, wie man sogar König Haarahlds Tod zum eigenen Vorteil nutzen konnte. Und er würde diese Pflichten auch erfüllen.
Aber nicht an diesem Tag. Dieser Tag gehörte dem Mann, der
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