Der Krieg der Ketzer - 2
Entsetzen darin mit, und Nahrmahn verkrampfte unwillkürlich die Lippen, als er das bemerkte. »Ich habe die Ehre, Assistant Commander der Königlichen Werft hier in Eraystor zu sein.«
»Ich verstehe. Und was hat es mit dieser ›Schlacht‹ auf sich?«
»Im Augenblick, Euer Hoheit, sind die uns vorliegenden Berichte noch alles andere als vollständig«, leitete Tallmyn vorsichtig seine Erklärung ein, und Nahrmahn nickte ungeduldig, um anzuzeigen, dass er verstanden habe. »Das Einzige, was wir bislang mit Sicherheit wissen, das ist, dass die Seewolke in den Hafen eingelaufen ist. Laut ihrem Captain ist sie das einzige Schiff des ganzen Geschwaders, das überlebt hat. Und …« Der Captain holte tief Luft und nahm sich sichtlich zusammen, »… es ist sehr wohl möglich, dass sie das einzige überlebende Schiff unserer gesamten Flotte ist.«
Nahrmahns rundliches Gesicht wurde aschfahl.
»Ich will damit nicht sagen, dass dem mit Bestimmtheit so ist, Euer Hoheit«, setzte Tallmyn rasch hinzu. »Ich sage nur, sie könnte es sein. Im Augenblick ist sie das einzige Schiff, das zurückgekehrt ist, aber ihr Captain ist offensichtlich zutiefst erschüttert. Es ist sehr gut denkbar, ja sogar wahrscheinlich, dass seine eigenen Erfahrungen, auch wenn er so offen und ehrlich spricht wie nur möglich, ihn dazu bringen, unsere Gesamtverluste zu übertreiben. Aber …« Die Stimme des Captains wurde tiefer und düsterer, »… selbst wenn dem so wäre, steht völlig außer Frage, dass wir eine äußerst ernsthafte Niederlage erlitten haben.«
»Wie?«, fragte Nahrmahn nur.
»Ich fürchte, es wird einige Zeit dauern, bevor wir diese Frage beantworten können, Euer Hoheit. Aber die Berichte der Seewolke lassen vermuten, dass Cayleb und die charisianischen Galeonen zurückgekehrt sind. Anscheinend haben sie unsere Flotte von hinten angegriffen, im Schutz des Morgengrauens – und ihre Kanonen waren wohl noch deutlich effizienter, als Herzog Black Waters letzter Bericht uns vermuten ließ. Es ist der Seewolke gelungen, nach Lee zu entkommen, aber ihr Captain hat mit eigenen Augen gesehen, dass mindestens elf unserer eigenen Galeeren, einschließlich aller anderen Schiffe aus seinem Geschwader, die Flaggen gestrichen haben.«
Mehrere Sekunden lang starrte Nahrmahn den Offizier nur schweigend an. Dann nickte er langsam, ging zum Fenster seines Schlafgemachs hinüber und blickte auf die Palastgärten hinab.
.III.
Kathedrale von Tellesberg, Tellesberg
Der Leichnam König Haarahlds VII. war vor dem Hochaltar der Kathedrale von Tellesberg aufgebahrt. Sechs Mann der Royal Guards, in den Händen Hellebarden, umstanden die Bahre, reglos blickten sie geradeaus; die Klingen ihrer Waffen waren mit schwarzem Trauerflor verhängt. Auf Anweisung von König Cayleb lagen Sergeant Gahrdaner und Sergeant Haarpar zu beiden Seiten des Königs, den sie bis zum eigenen Tode verteidigt hatten; zu den Füßen des gefallenen Königs saß Midshipman Aplyn, einen Arm in einer schneeweißen Schlinge, und wachte über König Haarahlds Schwert.
Aplyn war einer von nur sechsunddreißig Überlebenden der gesamten Besatzung der Royal Charis. Jeder einzelne hatte Verletzungen davongetragen. Einige von ihnen mochten sogar noch sterben, so sehr die Heiler sich auch bemühen mochten.
Seit vier Tagen strömte König Haarahlds Volk nun leise und voller Ehrfurcht in die gewaltige Kathedrale, um ihrem alten König die letzte Ehre zu erweisen. Viele hatten geschluchzt, den meisten waren die Tränen über die Wangen geströmt, und allen war die Trauer tief ins Gesicht geschrieben.
Doch Verzweiflung hatte es fast überhaupt nicht gegeben.
Merlin Athrawes stand hinter König Cayleb und blickte über die Schulter des jungen Monarchen hinweg, der zusammen mit seinem jüngeren Bruder und seiner Schwester auf der königlichen Empore stand, und wartete darauf, dass die Totenmesse begann. Zhan und Zhanayt wirkten beide, als müssten sie erst noch begreifen, was der Tod ihres Vaters für sie bedeutete. Caylebs Gesichtsausdruck wirkte deutlich weniger betäubt; er war vor allem eines: hart.
Und das, dachte Merlin, als auch er traurig auf Haarahlds Leichnam hinunterschaute, trifft die allgemeine Stimmung in ganz Charis recht gut. Der Tod ihres geliebten Königs dämpfte Freude und Stolz über die gewaltigen Siege, den ihre Navy errungen hatte, doch nichts konnte darüber hinwegtäuschen, was diese Siege bedeuteten, Neunzehn von Haarahlds Galeeren, ein Viertel seiner
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