Der Krieg, der viele Vaeter gatte
der englische Botschafter Henderson in Berlin Verbindung zu Staatssekretär von Weizsäcker im Auswärtigen Amt auf. Er will erfahren, was Deutschlands beziehungsweise Hitlers Absicht für den weiteren Verlauf der Dinge ist. Von Weiz
säcker, der Hitlers Einmarschpläne kennt, weicht aus und sagt nur: „Was auch immer getan wird, wird in einer anständigen Weise geschehen" 187
. Henderson, der Großbritanniens Anspruch zu vertreten hat, die Zukunft der Tschechoslowakei mitzugestalten, warnt von Weizsäcker in aller Eindringlichkeit vor dem Eingreifen Englands für den Fall, daß das Münchener Abkommen verletzt werden sollte. Diese Warnung bleibt, was Hitler später wohl vermerkt, eine hohle Drohung. Henderson drängt am gleichen Tag noch seinen tschechischen Kollegen, er möge seinem Außenminister in Prag nahelegen, sofort nach Berlin zu reisen und die tschechoslowakische Entwicklung mit der Reichsregierung abzusprechen 188
.
Ob auf Druck des englischen Botschafters Henderson in Berlin oder aus eigenem Entschluß, am 14. März wendet sich nun als dritter auch der bisherige Staatspräsident der Tschechoslowakei, und ab diesem Tag nur noch Präsident der Tschechen, Dr. Hacha an den deutschen Kanzler. Er bittet um einen schnellstmöglichen Besuchstermin 189
, der ihm auch sofort angeboten wird. Noch am 14. nachmittags reist Dr. Hacha in Begleitung seines Außenministers Chvalkowsky und seiner Tochter mit der Bahn von Prag nach Berlin. Eine Flugreise traut sich der schon alte und herzkranke Hacha nicht mehr zu. Der angegriffene Gesundheitszustand des Präsidenten ist auch der Grund, weshalb die Tochter ihn begleitet.
Dr. Hacha trifft spät abends ein und wird mit allen zeremoniellen Ehren, die einem ausländischen Staatsoberhaupt gebühren, in der Reichshauptstadt empfangen. Im Hotel überreicht Außenminister von Ribbentrop der Tochter Hacha einen Strauß mit gelben Rosen. Auf dem Zimmer liegt eine Bonbonniere als Aufmerksamkeit Hitlers für die Dame. Im Vorgespräch, das der tschechische Präsident noch im Hotel mit dem deutschen Außenminister führt, sagt Dr. Hacha zu von Ribbentrop, daß er gekommen sei, „um das Schicksal der Tschechei in die Hände des Führers zu legen" 190
. Alles in allem ein Auftakt für die folgenden Gespräche, der noch nichts Böses ahnen läßt. Von Ribbentrop meldet Hitler die hachasche Bemerkung vom Schicksal der Tschechen, das in die Hände des „Führers" gelegt werden soll. Der beauftragt den Minister, sofort ein deutschtschechisches Abkommen zu diesem Zwecke zu entwerfen.
Als Dr. Hacha bei Hitler eintrifft, ist es inzwischen 1.15 Uhr morgens 191 ; für den alten und herzleidenden Präsidenten eine arge Strapaze. Hacha kann auf das, was nun auf ihn zukommt, nicht ganz unvorbereitet gewesen sein. Bereits beim Empfang am Bahnhof hatte ihn der tschechoslowakische Botschafter davon unterrichtet, daß soeben deutsche Truppen in Mährisch-Ostrau auf tschechisches Territorium vorgedrungen wären 192
. Ansonsten sind die deutschen Verbände, die zur
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Henderson, Seite 202 und AA 1939 Nr. 2, Dokument 258
188
Henderson, Seite 205
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PAAA ;R 29934, Blatt 213455
190
IMT Verhandlungen, Band X, Seite 291
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15. März 1939
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Hier waren deutsche Truppen zur Abriegelung der polnisch-tschechoslowakischen Grenze in Marsch
Besetzung vorgesehen sind, während sich Dr. Hacha und Hitler gegenübertreten, bereits auf ihrem Marsch zur Grenze. Hitler hatte den Einmarsch deutscher Truppen schon vor zwei Tagen für diesen Morgen auf 6 Uhr in der Frühe festgelegt.
Präsident Hacha geht mit ausgestreckten Armen auf Hitler zu und eröffnet das Gespräch mit einem Schwall von Freundlichkeiten:
„Exzellenz, Sie wissen gar nicht, wie ich Sie bewundere. Ich habe alle Ih
re Werke gelesen, und ich habe es möglich gemacht, daß ich fast alle ihre
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Reden hören konnte."
Das kann, da Hacha fließend deutsch spricht, durchaus so gewesen sein. Nach der Konferenzeröffnung ist es wieder der tschechische Präsident, der sofort das Wort ergreift. Nachdem er zunächst erklärt, daß er den nun selbständigen Slowaken „keine Träne nachweint" kommt er zum deutsch-tschechischen Verhältnis:
„Jahrhunderte lang haben unsere Völker nebeneinander gelebt und den
Tschechen ist es nie so gut gegangen wie dann, wenn sie mit den Deut
schen im Einvernehmen lebten. Deshalb habe ich Sie auch um eine Unter
redung gebeten, denn ich will die Mißverständnisse, die zwischen
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