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Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
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Autonomie für die Karpato-Ukraine. Drei Wochen später, am 23. Februar, fällt die Wahl mit 98% für Tiso und die Autonomie sogar noch deutlicher aus. Nun fürchten Dr. Hacha und die tschechischen Minister seines Kabinetts, daß auch der Rest der Republik in seine Teile auseinanderbrechen könnte. Am 6. März läßt Hacha deshalb tschechische Truppen unter General Prchala in die Karpato-Ukraine einmarschieren und ernennt, ohne das neue Ruthenen-Parlament zu fragen, den General zum dortigen Innen-, Finanz- und Verkehrsminister. Ministerpräsident Woloschin ist damit als Regierungschef der Karpato-Ukraine schon entmachtet, kaum daß er sein erstes ruthenisches Landeskabinett hat bilden können.

    Der Slowakei geht es nicht besser. Am 10. März entläßt Hacha Monsignore Tiso als Minister für slowakische Angelegenheiten aus der noch gemeinsamen Staatsregierung der Tschechoslowakei und mit ihm drei weitere slowakische Minister. Damit ist die Herrschaft der Tschechen über die Slowaken, die Ruthenen und die Minderheiten im Gesamtstaat wieder hergestellt. Am 10. März löst Dr. Hacha außerdem den frisch gewählten Landtag der Slowaken wieder auf. Er läßt Preßburg von tschechischem Militär besetzen, die slowakischen Milizen durch tschechische Polizei ersetzen 172
    , die Post- und Bahnverbindungen ins Deutsche Reich einstellen und ein paar als Separatisten bekannte Landesparlamentarier verhaften. Die Krone setzt Dr. Hacha der Entmachtung der Slowaken damit auf, daß er der Slowakei eine neue Landesregierung unter dem früheren Erziehungsminister Sivak aufdrückt 173
    . Doch Sivak nimmt das Amt nicht an, und Hacha muß Monsignore Tiso nach ein paar Tagen Chaos bitten, die Regierung über die Slowakei wieder zu übernehmen. Tiso ist von nun an nicht mehr dazu bereit, mit den Tschechen im allgemeinen und mit der Prager Regierung im besonderen in irgendeiner Form Gemeinsamkeit zu suchen und die Tschechoslowakei am Leben zu erhalten.

    Auch bei der kleinen, noch im Land verbliebenen deutschen Minderheit rumort es. Bei der Abtrennung der Sudetengebiete sind nicht nur 350.000 Tschechen ge

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    Henderson, Seite 201 173
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    gen ihren Willen dem Deutschen Reiche zugeschlagen worden. Auch 175.000 Deutsche in den Sprachinseln innerhalb der Tschecho-Slowakei mußten in diesem ihnen fremd gebliebenen Staat verbleiben. Die Sudetendeutschen – enttäuscht, daß sie nicht „heim ins Reich" gekommen – kooperieren nicht mehr mit den Tschechen. Die ihrerseits sehen inzwischen in den Deutschen ihren Feind im eigenen Lande. Tausende von Sudetendeutschen verlieren ihren Arbeitsplatz. Die Tschechoslowakei gewährt ihnen und ihren Familien zunächst keine Arbeitslosenunterstützung, was sonst im Lande üblich ist. So kommt für viele der in der Tschechoslowakei verbliebenen Deutschen zur Isolierung die wirtschaftliche Not. Damit steht eine dritte, wenn auch nur noch sehr kleine Volksgruppe auf schlechtem Fuße mit den Tschechen. Dieses Zerwürfnis zwischen Tschechen und in der Tschechoslowakei verbliebenen Sudetendeutschen kann allerdings nicht als Rechtfertigung für das später aufgezwungene Protektorat Deutschlands über die Tschechei herhalten. Dr. Hacha bemüht sich seit seinem Amtsantritt am 29. November 1938 zusammen mit Außenminister Chvalkovsky um ein gedeihliches Verhältnis zur deutschen Reichsregierung. Wann immer Klagen aus Berlin nach Prag gerichtet werden, beeilen sich Hacha und Chvalkovsky, den deutschen Wünschen nachzukommen. Dennoch gelingt es Dr. Hacha nicht, die Lebensverhältnisse der Sudetendeutschen in seinem Land in kurzer Zeit zu ändern.

    Zu allem inneren Aufruhr in der Rest-Tschecho-Slowakei kommt weiterer Druck von außen. Die Polen bleiben bei ihren nach ihrer Sicht noch immer offenen territorialen Forderungen. Am 17. Oktober beansprucht Warschau ein 5 mal 20 Kilometer großes Grenzgebiet südwestlich Zakopane. Dann steckt es Fühler nach Deutschland und Rumänien aus, um mit Berliner und Bukarester Hilfe eine Abtrennung der Karpato-Ukraine und deren Angliederung an Ungarn zu erreichen 174
    . Am 22. Oktober fordert Warschau vier weitere, wenn auch nur kleine Grenzkorrekturen in der Tatra. Alsdann startet die polnische Regierung den allerdings vergeblichen Versuch, die Slowakei zur Erklärung ihrer Unabhängigkeit zu bewegen 175
    . Bis zum 30. Oktober umfaßt die Liste polnischer Forderungen an die Tschechoslowakei neben den schon genannten Grenzverschiebungen die Gegend von Hrosow mit

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