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Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
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fliegt am gleichen Tag zurück nach Preßburg und tritt anderntags vor seinen Landtag, den er zu diesem Zweck schon vor der Reise nach Berlin hatte einberufen lassen. Tisos Rede dort ist kurz und klar:
    „Da die Prager Regierung mit dem Gewaltakt vom 10. März unsere Au
    tonomie verletzt hat, löse ich alle Bindungen, die bisher zwischen uns be
    standen haben. Kraft des Selbstbestimmungsrechts der Völker erkläre ich
    hiermit die Unabhängigkeit der Slowakei. Diejenigen, die meinen Ent
    schluß gutheißen, mögen sich erheben!" 184
    Die Reaktion ist eindeutig. Alle Abgeordneten erheben sich von ihren Plätzen und singen die slowakische Nationalhymne. Sofort nach dieser für die Slowakei historischen Versammlung schickt Präsident Tiso dem deutschen Reichsluftfahrtminister Göring ein Telegramm, in dem er schreibt:
    „Ich bitte Sie, folgendes dem Führer und Reichskanzler zur Kenntnis zu
    bringen: In starkem Vertrauen auf Sie, den Führer und Reichskanzler des
    Großdeutschen Reiches, unterstellt sich der slowakische Staat Ihrem
    Schutz. Der slowakische Staat bittet Sie, diesen Schutz zu übernehmen.
    185 Tiso" Hitlers Antwort folgt noch am selben Tag:
    „Ich bestätige den Empfang Ihres Telegramms und übernehme hiermit
    den Schutz des slowakischen Staates.
    Adolf Hitler"

    Ein gleiches Schutzersuchen der Ruthenen, ebenfalls am 14. März, wird für Monsignore Woloschin zum außenpolitischen Desaster 186
    . Hitler geht nicht darauf ein. Er läßt vielmehr Ungarns Staatschef von Horthy von der Selbständig

    183
    ADAP, Serie D, Band IV, Dokument 202 und IMT Band XXXI, Dokument 2802-PS 184
    Benoist-Méchin, Band 6, Seite 65
    185
    ADAP, Serie D, Band VI, Dokument 10
    186
    PAAA, R 29934

    keitserklärung der Karpato-Ukraine unterrichten und die Budapester Regierung davon informieren, daß sie „freie Hand" in der Karpato-Ukraine habe. Am 18. März 1939 übernimmt Ungarn dieses kleine Land, das nur historisch, doch nicht dem Volkstum der Ruthenen nach zu ihm gehört. So hat mit dem 14. März die nur 20 Jahre alt gewordene Tschechoslowakei ihr Dasein als Vielvölkerstaat beendet.

    Hitlers Reaktion gegenüber den Ruthenen paßt schlecht zu der von vielen Historikern gepflegten Theorie, daß der Diktator von Beginn seiner Laufbahn an die Eroberung eines Ostreiches in der Ukraine als sogenannten Lebensraum im Osten als festen Plan im Auge hatte. Hitler hätte mit einer selbständigen Karpato-Ukraine unter deutscher Schutzherrschaft den Grundstock für eine von Polen und Rußland losgelöste und Deutschland assoziierte Gesamtukraine bilden können. Hitler weiß vom Haß der etwa sechs Millionen Ukrainer auf die Polen, deren Staat sie seit 1920 gegen ihren Willen angehören müssen, und er kennt die Unabhängigkeitsbestrebungen der Ostukrainer in der Sowjetunion. Statt die Karpato-Ukraine und die Ruthenen den Ungarn zu überlassen, hätte Hitler Monsignore Woloschins Antrag annehmen und das erste Stück Ukraine dem deutschen Herrschaftsgebiet als Protektorat angliedern können. Er hat es nicht getan. Warum? Das Desinteresse Hitlers an der Karpato-Ukraine im März 1939 kann man wohl als Zeichen dafür werten, daß er zu der Zeit noch keine ausgereiften Pläne hat, sich der Länder zu bemächtigen, die bislang Herren über die zwei größten Teile der Ukraine sind, Polen und Sowjetunion. Hitler hat im März 1939 nach allem Anschein noch nicht vor, Polen anzugreifen.

    Am 14. März 1939 hat die Tschechoslowakei aufgehört zu existieren. Das Todesurteil für dieses Kunstgeschöpf von Saint-Germain ist nicht erst 1939 ausgesprochen worden, sondern kurz nach seiner Gründung mit dem Bruch des Versprechens von Masaryk und Benes, ein Land von gleichberechtigten Völkern nach Art der Schweiz zu bauen. Mit der Tschechoslowakei zerbricht der erste der drei von den Weltkriegssiegermächten geschaffenen Vielvölkerstaaten. Die Tschechen, wie bald danach die Polen und später auch die Serben, scheitern als Leitnationen dieser neuen Kunstgebilde, weil sie sich als Unterdrücker und nicht als Partner der ihnen anvertrauten nationalen Minderheiten zeigen. Amerikaner, Briten und Franzosen, als Paten der Vielvölker-Tschechoslowakei, haben die 1919 mit Tschechen und Slowaken vereinbarten Bürgerrechte für die Angehörigen der anderen Volksgruppen nie überwacht und durchgesetzt. Sie tragen ein Stück Mitschuld am Desaster.

    Die Tschechei wird zum Protektorat

    Am 13. März 1939, als der slowakische Präsident Tiso zu Hitler fährt, nimmt

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