Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
Vom Netzwerk:
reagieren Frankreich, Großbritannien, die USA und die Sowjetunion nicht auf die Annexion der Ungarn. Der Protest der vier genannten Staaten richtet sich in diesen Tagen alleine gegen das Vorgehen der deutschen Reichsregierung.

    Die Garantie, die es nie gab

    Mit der Rest-Tschechei-Besetzung begeht der „Führer" Hitler ein Verbrechen an den Tschechen, das im folgenden Absatz bewertet werden soll. Zuvor ein Blick auf einen Detailaspekt:

    Die Franzosen bezeichnen die Besetzung der Rest-Tschechei von Anfang an als einen Bruch des Münchener Abkommens. Die Geschichtsschreibung hat diese Sicht der Dinge übernommen. Bis heute müssen deutsche höhere Schüler das so lernen. Im Schulgeschichtsbuch „Unsere Geschichte" Band 4 von Diesterweg z.B. heißt es zur Tschechei-Besetzung: „Er (Hitler) hatte ... den feierlich in München unterzeichneten Vertrag gebrochen" 204
    . Der weitere Vorwurf, der Eingang in die Geschichtsschreibung gefunden hat, ist, daß Hitler mit der Besetzung auch die in München abgegebene Garantie für die neuen Grenzen der Tschechoslowakei verletzt hat. Wer den Vertrag und den Zusatz zu jener Garantie liest, stellt schnell fest, daß das nicht stimmt.

    Der Münchener Vertrag regelt in seinen acht Artikeln nur und wirklich nur die „Bedingungen und Modalitäten" der Abtretung der sudetendeutschen Gebiete, als da sind: Zeitpunkte und Zonen für die etappenweise deutsche Besetzung, eine Volksbefragung, die Bildung eines internationalen Ausschusses für die endgültige Festlegung der Grenzen, das Optionsrecht für die betroffenen Gebietsbe

    203
    FAZ vom 30. August 1997 aus dem Buch „Hyeny" von Jaroslav Pospišil 204
    Diesterweg 1988, Seite 123
    wohner und die Entlassung der Sudetendeutschen aus dem Polizei- und Militärdienst der Tschechoslowakei. Diese acht Artikel – allesamt zu deutschen Gunsten – hat Deutschland mit seiner unrechtmäßigen Tschechei-Besetzung nicht verletzt, das Abkommen also nicht gebrochen.

    Auch eine Garantie hat Deutschland nicht verletzt, weil es keine Garantie gegeben hatte. Der „Zusatz zum Münchener Abkommen" zur Garantie der neuen Grenzen sieht, wie schon beschrieben, die vorherige Regelung der ungarischen und der polnischen Minderheitenfrage vor. Die Polenfrage ist bis zum Tag des deutschen Einmarschs aber nicht geregelt worden. Und die Reichsregierung hat eine solche Garantie folglich auch nicht ausgesprochen.

    Der Nutzen einer Garantie für die neuen Grenzen der Tschechoslowakei ist um die Jahreswende 1938 auf 1939 ohnehin umstritten. Keine der Nationen, die den Vertrag von München unterzeichnet haben, will in der Zeit danach zu ihrer Garantie-Ankündigung stehen und die Garantie der Unverletzbarkeit der neuen Grenzen wirklich geben. Jeder schiebt zunächst den anderen vor. Nach dem Wiener Schiedsspruch im November 1938 fordert die Regierung in Paris die in London auf, gemeinsam mit ihr die neuen Grenzen der um die ungarischen Gebiete verkleinerten Tschechoslowakei als endgültig zu garantieren. Am 14. November lehnt der britische Premier Chamberlain den Vorschlag der Franzosen ab 205
    . Daraufhin nimmt auch die französische Regierung Abstand von einer solchen Garantie. Vom 11. bis zum 14. Januar 1939 befindet sich Chamberlain in Rom, um sich mit seinem Kollegen Mussolini über die Krisenherde in Europa auszutauschen. Dabei sind sich Chamberlain und Mussolini einig, daß die Verhältnisse in der Tschechoslowakei derzeit zu instabil seien, um die englische und die italienische Garantie, wie man sie in München angekündigt habe, praktisch umzusetzen 206
    . Trotz dieser eigenen Bedenken fragt die britische Regierung mit einer Note vom
    8. Februar 1939 in Berlin an, ob die deutsche Reichsregierung nun nicht endlich die in Aussicht gestellte Garantie für die neuen Grenzen der Tschechoslowakei abgeben wolle. Doch der Sachstand ist auch im Februar immer noch der alte. Die Minderheitenfrage der Polen ist weiter ungeklärt und damit der Zeitpunkt für Garantien aus Berlin und Rom noch immer nicht gekommen. Am 28. Februar, zwei Wochen vor dem deutsch-ungarischen Einmarsch, gibt die Reichsregierung den Regierungen in London und Paris eine Antwort auf die englische Anfrage vom
    8. Februar in Bezug auf jene noch offene Garantie. Die Reichsregierung gibt in ihrer Antwortnote zu bedenken, daß internationale Garantien zu diesem Zeitpunkt die Regierung der Tschechoslowakei ermuntern könnte, die innerstaatlichen Probleme ihres Landes wieder mit härterer Hand zu

Weitere Kostenlose Bücher