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Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
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Schweigen. Es wird dem Präsidenten der USA nicht schwergefallen sein, sich vorzustellen, daß die polnische Regierung mit diesem, seinem Wissen die Rückgliederung des Freistaates Danzig in das Deutsche Reich dem nun sicheren Verlust Ostpolens vorgezogen hätte. Es klingt schon recht makaber, aber am Morgen dieses letzten Tages vor dem Krieg versichert der amerikanische Botschafter in Paris Bullitt seinem polnischen Kollegen Graf Łukasiewicz, er wisse aus verläßlicher Quelle, daß ein möglicherweise existierendes geheimes Zusatzabkommen zum Hitler-Stalin-Pakt nur die drei baltischen Staaten betreffe, nicht aber Polen. 387

    Hitler muß sich am Abend vor dem Kriege eine große Niederlage eingestehen. Sein Traum vom Vertrag und der Partnerschaft mit England liegt in Scherben. Für ihn sind es die Polen, deren Unnachgiebigkeit den Weg zur Erfüllung seines Traums versperrt. In seiner Verärgerung über diese persönliche Niederlage versteigt sich Hitler zu einem Satz, der seine Kriegslust zu belegen scheint. Als der italienische Botschafter gegangen ist, wendet sich Hitler dem im Raum verbliebenen Staatssekretär Meißner zu und sagt:

    385
    ADAP, Serie D, Band VII, Dokument 478
    386
    Auch der franz. Außenminister Bonnet und der brit. Botschafter Henderson schreiben in ihren Erinnerungen, daß sie damals wußten, daß Hitler den Polenfeldzug aus Witterungsgründen nicht mehr hinausschieben konnte.
    387
    Bavendamm, Roosevelts Weg zum Krieg, Seite 604, unter Bezug auf den poln. Historiker Jêdrzejewicz in seinem Buch Łukasiewicz, Seite 269

    „Im Grunde genommen bin ich heilfroh, daß die Polen mein Angebot
    nicht angenommen haben. Ich habe es gegen meine innere Überzeugung
    gemacht, aber wenn die Polen es angenommen hätten, wäre ich daran ge
    388

    bunden gewesen."
    Vielleicht deckt Hitler mit der Bemerkung auf, daß er im Grunde doch schon seit geraumer Zeit den Krieg mit Polen wollte. Vielleicht ist der Ausspruch auch die Schutzbehauptung eines Mannes, dem etwas mißlungen ist, und der dann behauptet, er hätte es gar nicht anders haben wollen. Oder vielleicht ist es der Ausbruch einer inzwischen angestauten Wut gegen die Haltung Polens, die ihm die Heimkehr Danzigs ohne Blutvergießen und eine Partnerschaft mit Großbritannien verdorben hat: also Krieg als Rache für eine außenpolitische Niederlage Hitlers.

    Um 21 Uhr gibt der deutsche Rundfunk Hitlers 16-Punkte-Vorschlag bekannt. Zwischen 21 und 22 Uhr überreicht Staatssekretär von Weizsäcker die schriftlichen Ausfertigungen des Hitler-Vorschlags nacheinander an die Botschafter Englands, Frankreichs, Japans und an die Geschäftsträger der USA und der Sowjetunion.

    Spät abends muß sich die englische Regierung noch einmal um die Presse kümmern. Der DAILY TELEGRAPH hat in seiner Abendausgabe über die Vermittlungstätigkeit der Londoner Regierung zwischen Warschau und Berlin berichtet. Dabei hat die Zeitung auch erwähnt, daß die polnische Regierung nach Eingang des Verhandlungsangebots aus Deutschland die Generalmobilmachung für die Streitkräfte angeordnet hat, statt das Angebot zu honorieren. Die Abendausgabe des DAILY TELEGRAPH wird beschlagnahmt. Ein Nachdruck, der als Spätausgabe kommt, läßt die Generalmobilmachung in Polen unerwähnt. Nichts in dieser schweren Krise soll Englands Lesern Zweifel kommen lassen. 389

    Der Kriegsausbruch

    Am 1. September 1939 um 4.45 Uhr früh tritt die Wehrmacht ohne Kriegserklärung zum Angriff gegen Polen an.

    General Keitel als Chef des Oberkommandos der Wehrmacht rät Hitler, den Krieg an Polen zu erklären, doch der „Führer" lehnt das ab. 390
    Die Gründe Hitlers mögen operativer oder politischer Natur gewesen sein. Der operative liegt in der Überraschung der angegriffenen Polen. Doch das zählt hier wenig, weil die polnischen Streitkräfte bereits mobilisiert und voll aufmarschiert sind, als der

    388
    Benoist-Méchin, Band 7, Seite 524, der dort Otto Meißner, Staatssekretär unter Ebert-HindenburgHitler, Hamburg 1950, Seite 518 zitiert.
    389
    Hedin, Seite 60
    390
    Keitel, Seite 251
    Krieg beginnt. Der politische mag in der Erfahrung aus dem Ersten Weltkrieg liegen. 1914 hat Deutschland, nachdem zuvor Rußland, Frankreich und England ihre Heere und Flotten mobilgemacht hatten, als erstes Land den Krieg erklärt. Das ist dann in Versailles – neben anderem – als Ausweis der deutschen Kriegsschuld im Sinne des Verursacherprinzips gewertet worden. Das geschlagene Deutsche Reich hat 1919 für

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