Der Krieg, der viele Vaeter gatte
vorliegt.
366
British War Bluebook, Document 94
367
Benoist-Méchin, Band 7, Seite 509
368
British War Bluebook, Document 95
369
Benoist-Méchin, Band 7, Seite 510. Der Historiker B.-M. gibt allerdings keinen Quellenhinweis zu diesem Sachverhalt.
370
British War Bluebook, Document 97
Die zweite Depesche geht um 12.40 Uhr direkt per Funk von Beck an Lipski in Berlin, wo sie von der deutschen Funkaufklärung mitgeschnitten und entschlüsselt wird. Zu der Depesche liegen heute zwei offiziell dokumentierte Niederschriften vor. In der polnischen wird Lipski angewiesen, Außenminister von Ribbentrop aufzusuchen und ihm mitzuteilen:
„Diese Nacht wurde die polnische Regierung von der britischen von deren
Erörterungen mit der deutschen Regierung über die Möglichkeit direkter
Verhandlungen zwischen der deutschen und der polnischen Regierung un
terrichtet.
Die polnische Regierung wird den Vorschlag der britischen Regierung in
günstigem Sinn erwägen und der britischen Regierung in einigen Stunden
371
eine formelle Antwort zu dieser Frage geben."
In der Niederschrift des Mitschnitts der deutschen Funkaufklärung hat diese Weisung einen Anhang, der da lautet:
„Lassen Sie sich unter keinen Umständen in sachliche Diskussionen ein.
Wenn die Reichsregierung mündliche oder schriftliche Vorschläge macht,
müssen Sie erklären, daß Sie keinerlei Vollmacht haben, solche Vorschläge
entgegenzunehmen oder zu diskutieren, und daß Sie ausschließlich obige
Mitteilung Ihrer Regierung zu übermitteln und erst weitere Instruktionen
372
einzuholen haben."
Für die Echtheit dieser deutschen Dokumentation spricht, daß sich Lipski streng an diese Zusatzweisung hält, und daß sie Kennard in einem Bericht vom gleichen Tag bestätigt. 373
Mit der Vorlage dieser mitgehörten Weisung bei Hitler, Göring und von Ribbentrop platzt die fast letzte Chance für den Frieden. Es ist jetzt 13 Uhr, noch 16 Stunden bis zum festgesetzten Angriffsbeginn der Wehrmacht gegen Polen. Göring und Dahlems beraten gerade den weiteren Gang der Dinge, als ein Bote die entschlüsselte Lipski-Weisung überbringt. 374
Der Marschall schäumt vor Wut. Er gibt Dahlems ein Exemplar des dechiffrierten Textes. Nach etwa zwei Stunden weiteren Überlegens schlägt der Schwede dem Marschall vor, er möge nun selbst Verhandlungen mit den Briten aufnehmen. Beide Männer sind sich einig, daß Außenminister von Ribbentrop mit seiner Unbeherrschtheit und seiner Bereitschaft, es auf einen Krieg mit Polen ankommen zu lassen, nicht der rechte Mann ist. Beide wissen, daß mit den Polen nun keine so schnelle Verständigung mehr möglich ist, daß sie die Wehrmacht stoppen könnte.
Göring fahrt zu Hitler, um sich neue Gespräche mit der englischen Regierung genehmigen zu lassen. Der „Führer" ist mehr als skeptisch, doch er akzeptiert die Idee des Marschalls. Er billigt sofortige Gespräche Görings mit Henderson und
371
Polnisches Weißbuch, Dokument 110
372
Dahlems, Seite 112
373
British War Bluebook, Document 96
374
Die folgenden Ereignisse sind dem Bericht von Dahlems entnommen. Siehe Dahlems, Seiten 111 f
den Vorschlag, England für Polen mitverhandeln zu lassen. Hitler weiß, daß ihn das nun sichere Ausbleiben eines polnischen Verhandlungsführers sonst zwingen würde, Danzig und die deutsche Minderheit in Polen aufzugeben oder Polen in 14 Stunden anzugreifen. Der Umweg über London ist damit auch seine letzte Chance für eine Verständigung mit England. Hitler ist offensichtlich auch jetzt noch – am Nachmittag vor Kriegsausbruch – bereit, den Polenfeldzug abzublasen. Sonst hätte er Göring in dieser Stunde festgehalten. Die einzige Bedingung, die Hitler mit dem Göring-Henderson-Gespräch verbindet, ist, daß ein Vertreter eines neutralen Staates daran teilnimmt. Das wird dann der Schwede Dahlems sein.
Dahlems eilt derweilen in die englische Botschaft, um dort den Boden zu bereiten. Henderson empfängt ihn freundlich, aber äußert sofort den Verdacht, daß die Deutschen nur wünschten, zwischen England und Polen einen Keil zu treiben. Dahlems zeigt Henderson den entschlüsselten Text der Weisung Becks an Lipski und macht ihm damit deutlich, daß es in dieser hochbrisanten Lage nur noch die Möglichkeit, den Frieden zu erhalten gäbe, wenn Göring – mit Hitlers Billigung – und Henderson zu einer Verständigung über ein Programm für deutschenglische Verhandlungen kämen. Dahlems schreibt zu der Begegnung:
„Ich
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