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Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
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bin überzeugt, daß Henderson, obwohl er mir aufmerksam zuhörte,
    innerlich die ganze Zeit der bestimmten Auffassung war, das Ganze sei
    ein Intrigenspiel, ein Versuch, Polen und England zu trennen, um
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    Deutschland Gelegenheit zu geben, Polen ungestört anzugreifen."
    Um 16.30 Uhr kommt die Konferenz mit Henderson, Göring, Dahlems und Ogilvie-Forbes zustande. Göring empfängt Henderson besonders herzlich. Beide bemühen sich offensichtlich, eine günstige Atmosphäre für das anstehende Gespräch zu schaffen. Als man zum Thema kommt, schlägt der deutsche Marschall dem englischen Botschafter vor, Verhandlungen zwischen Deutschland und Großbritannien einzuleiten, bei denen letzteres auch für Polen mitverhandeln sollte. Henderson bleibt reserviert. Er glaubt nicht, daß der Vorschlag Görings zu einer Lösung führt und will ihm deshalb auch nicht folgen. 376
    Göring setzt nach und legt dem Engländer das entschlüsselte Chiffretelegramm von Beck an Lipski als Beweis vor, daß Deutschland unter den gegebenen Bedingungen schlecht zu einer Regelung mit Polen kommen könne. Göring kann dabei nicht ahnen, daß die englische Regierung und Kennard vor Ort in Warschau die polnische Blockadehaltung immer noch bestärken. Henderson erklärt sich daraufhin bereit, seiner Regierung den neuen deutschen Vorschlag zu übermitteln. Auch Henderson versucht, ein Anliegen in der Besprechung anzubringen. Er bittet Marschall Göring, die für den gleichen Abend angekündigte Veröffentlichung der 16 Punkte Hitlers über Rundfunk zu verhindern. Henderson – so sein Argument – befürchtet, daß damit die letzte schwache Hoffnung auf ein Zustandekommen deutsch-polni

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    Dahlems, Seite 119 376
    Henderson, Seite 275

    scher Gespräche zerstört würde. 377 Das Gespräch der vier Herren endet kurz vor 19 Uhr, ohne daß Göring etwas Definitives erreicht hätte.

    Der Wunsch Botschafter Hendersons, die 16 Punkte Hitlers so lange wie möglich vor der Welt geheimzuhalten, liegt auf der gleichen Linie wie Duff Coopers Bitte an die Redaktionen von DAILY MAIL und DAILY TELEGRAPH, den 16Punkte Vorschlag Hitlers möglichst negativ zu kommentieren. Der Wunsch zielt offensichtlich auf die Kriegsbereitschaft der Menschen in England, Frankreich und in den USA. Die Beschränkung der deutschen Forderungen auf das Berechtigte und der Vorschlag, die betroffenen Bewohner des Korridors selbst über ihre Zugehörigkeit zu Polen oder Deutschland abstimmen zu lassen, könnte vielen Franzosen, Briten und Amerikanern nicht mehr genügen, um deshalb für die Polen in den Krieg zu ziehen.

    Inzwischen, gegen 16 Uhr, sucht Botschafter Lipski um ein Gespräch bei Außenminister von Ribbentrop nach. Der weiß ja seit ein paar Stunden, daß Lipski weder verhandeln noch die deutschen Vorschläge entgegennehmen darf. Um
    18.30 Uhr stehen sich die beiden Männer gegenüber. 378
    Lipski verliest die polnische Erklärung, die von Ribbentrop bereits aus dem entschlüsselten Telegramm aus Warschau kennt. Der Minister fragt daraufhin, ob der Botschafter verhandeln dürfe. Der verneint. Das Gespräch berührt noch den deutsch-englischen Meinungsaustausch der letzten Tage und Hitlers Erwartung, bis zum Abend des 30. August einen polnischen Verhandlungsbevollmächtigten in Berlin zu sehen. Dann fragt von Ribbentrop Botschafter Lipski ein zweites Mal, ob er verhandeln dürfe. Als der verneint, ist das Gespräch beendet. Weder von Ribbentrop noch Lipski machen den leisesten Versuch, dem Gegenüber einen Weg zu lassen. Beide wissen, daß das den Krieg bedeutet.

    So sind um 19 Uhr die beiden letzten Versuche gescheitert und im Sand verlaufen, den Angriffsbeginn der Wehrmacht am 1. September zu verhindern. Gescheitert ist das Bemühen, mit Polen Gespräche über Hitlers 16-Punkte-Vorschlag zu beginnen, und im Sand verlaufen ist der Versuch, mit England statt mit Polen zu verhandeln.

    Im Pariser Kabinett toben derweilen Richtungskämpfe. Präsident Daladier vertritt die Meinung, Frankreich müsse gegenüber Deutschland unnachgiebig bleiben. 379
    Hitler werde den Kriegsbeginn politisch im eigenen Land nicht überleben. Außenminister Bonnet rät, schnellstens mit Deutschland, Italien, England und Polen über alles zu verhandeln, was Krieg auslösen könnte. 380
    Und der französische Botschafter Coulondre in Berlin schreibt tageweise unterschiedlich, mal

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    Henderson, Seite 275
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    Das folgende Gespräch ist vom Chefdolmetscher Dr. Schmidt protokolliert. Siehe

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