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Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
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Mäßigung zu mahnen, doch der Zug ist nicht mehr aufzuhalten. Der Druck der Straße wächst und Hitler besteht nachträglich doch noch einmal auf der Forderung, Dr. Fischböck als Finanzminister Österreichs einzusetzen.

    Dr. Schuschniggs „Volksabstimmung"

    Nun tritt der Bundeskanzler Schuschnigg die Flucht nach vorne an. Er glaubt, daß die Mehrheit der Bürger Österreichs für die Selbständigkeit des Landes und gegen einen Anschluß ist. Auch hegt er offensichtlich Illusionen über den Beliebtheitsgrad der eigenen Person. Schuschnigg setzt am Mittwoch, den 9. März, ganz überraschend eine Volksabstimmung zur Anschlußfrage für den nächsten Sonntag an, das ist vier Tage später. Die kurzgesteckte Frist und manches andere zeigen, daß der Bundeskanzler hier in Panik handelt. So hat er es unterlassen, die Gesamtheit der Minister zum Plan der Volksabstimmung zu befragen, was nach Artikel 65 der Verfassung erforderlich gewesen wäre. Da es seit 1929 auf Bundesebene und seit 1932 auf Landesebene keine Wahlen mehr gegeben hat, und weil Wahlen 1933 von Dollfuß generell verboten worden waren, gibt es in ganz Österreich keine aktuellen Wählerlisten mehr. Zudem hat der demokratieentwöhnte Bundeskanzler angeordnet, daß Wahlaufsicht und Stimmauszählung allein von der „Vaterländischen Front" vorzunehmen sind, also vom Regierungslager. Des weiteren begrenzt Kanzler Schuschnigg das Wahlalter nach unten auf
    25 Jahre. Er befürchtet, daß besonders junge Wähler zu einem Anschluß an das Deutsche Reich tendieren. Und als letztes befiehlt Dr. Schuschnigg, daß in den Wahllokalen nur Stimmzettel mit dem Aufdruck „JA" ausgegeben werden, was ein Ja zur Unabhängigkeit bedeutet. Wer für den Anschluß Österreichs an das Deutsche Reich stimmt, muß sich dazu einen mit „Nein" beschriebenen Zettel in vorgeschriebener Größe selber fertigen und zur Wahl mitbringen. In § 22 der Verordnung über diese Volksbefragung ist dazu folgendes geregelt:
    „Der Stimmzettel ... ist auf einer Seite mit „Ja" bedruckt oder beschrieben
    gültig, auch dann, wenn das Wort durchgestrichen oder mit einem Beisatz
    versehen ist. Auch teilweise zerrissene Zettel mit dem Aufdruck oder der
    Aufschrift „Ja " gelten als Ja-Stimmen.
    Diejenigen Personen, die mit „Nein" zu stimmen wünschen, müssen nach
    obigen Anordnung einen Zettel in der gleich Größe mit dem Wort „Nein"
    handschriftlich beschreiben. Zettel, die das Wort „Nein" mit irgendeinem
    Zusatz enthalten, sind ungültig. Vollkommen leere Stimmzettel gelten als
    Ja-Stimmen. ..." 33
    Ansonsten verhandelt Kanzler Schuschnigg in aller Eile mit den Führern der bisher verbotenen Parteien und der aufgelösten Gewerkschaften, um sie für Wahl

    Ländergesetzblatt für Oberösterreich vom 10. März 1938
    aufrufe gegen einen Anschluß zu gewinnen. Als Preis verlangen die so plötzlich angesprochenen Führer, daß ihre Parteien unverzüglich wieder zugelassen werden, und sie fordern, daß ihre zu Tausenden in den „Anhaltelagern" inhaftierten Parteimitglieder endlich freigelassen werden. Doch Dr. Schuschniggs getürkte Volksabstimmung bleibt nicht ohne Widerspruch.

    Innenminister Seyß-Inquart und ein weiteres Mitglied der Regierung, Minister Glaise-Horstenau, teilen ihrem Kanzler unverzüglich mit, daß das Anberaumen dieser Wahl ohne vorherige Anhörung des Kabinetts verfassungswidrig ist, und daß nicht hingenommen werden kann, daß allein die regierende Vaterländische Front die Wahlen überwacht und dann zum Schluß die Stimmen zählt. Die zwei Minister verlangen die Verschiebung der Volksabstimmung auf einen späteren Zeitpunkt, damit die Wahlen vorbereitet werden können. Bundeskanzler Schuschnigg lehnt Seyß-Inquarts und Glaise-Horstenaus Bedenken und Forderungen ab.
    Tags darauf wiederholt Seyß-Inquart seinen Einspruch in einem Brief an Kanzler Schuschnigg, der zurückschreibt, daß es bei der Wahl am nächsten Sonntag bleibt. Bis dahin sind es nun nur noch drei Tage.
    Am 11. März, nach einer weiteren Nacht, versuchen die Minister Seyß-Inquart und Glaise-Horstenau noch einmal, Schuschnigg umzustimmen. Sie geben zu bedenken, daß es bei dem überhastet angesetzten Wahltermin und bei den bisher verfugten Wahlbedingungen zu Gewalt im Lande kommen könnte. Schuschnigg beharrt auf seiner Wahl am Sonntag in zwei Tagen. Darauf schicken die zwei Minister in ihrem und im Namen anderer Kabinettsmitglieder noch am späten Vormittag ein Ultimatum an den Kanzler. Die sechs

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