Der Krieg, der viele Vaeter gatte
der Arbeitnehmerschaft – auch wenn sie den Nationalsozialisten nicht nahestehen – sehen im Anschluß eine wirtschaftliche Hoffnung. Bundeskanzler Schuschnigg, der die außenpolitische Isolierung seines Landes spürt und den Drang weiter Bevölkerungskreise zu einem Anschluß kennt, bittet den Gesandten von Papen um Vermittlung eines Staatsbesuchs bei Hitler. Am 12. Februar 1938 kommt der Besuch zustande. Schuschnigg ist bei dieser Reise sicherlich zu gewissen Konzessionen Österreichs an deutsche Wünsche bereit gewesen. Doch die Forderungen, die ihm Hitler an diesem 12. Februar in Berchtesgaden präsentiert, hat er nicht erwartet.
Hitlers Wunschvorstellung ist sicherlich gewesen, daß ein frei gewählter Nationalrat und eine österreichische Regierung kraft des Selbstbestimmungsrechts der Völker von sich aus den Anschluß Österreichs an das Deutsche Reich verkünden, den Anschluß den die Verfassungsväter Österreichs und der Nationalrat schon vor zwei Jahrzehnten fest beschlossen hatten. Doch Hitler ist inzwischen klar, daß mit der Diktatur des christ-sozialen Schuschnigg, ohne Parlament und ohne Wahlen kein legaler Weg für einen Anschluß offensteht.
Das Gespräch der zwei Diktatoren Schuschnigg und Hitler ist nach Schuschniggs Schilderung – und nur diese ist uns überliefert – ein einziger Streit gewesen. Hitler hält Schuschnigg vieles vor, das Vorgehen der Polizei in Österreich gegen die Nationalsozialistische Partei, Grenzbefestigungen gegen Deutschland und ande res mehr. Als Schuschnigg Österreichs Eigenständigkeit verteidigt und darauf besteht, daß er es ist, der Österreich hier vertritt, bezweifelt Hitler seine Legitimität und sagt:
„Ich könnte mit dem gleichen und mit noch viel mehr Recht mich als
Österreicher bezeichnen als Sie, Herr Schuschnigg. Versuchen Sie es doch
einmal und machen Sie eine freie Volksabstimmung in Österreich, in der
31 Sie und ich gegeneinander kandidieren, dann werden Sie sehen!"
Hitler hat dabei im Sinn, daß Schuschnigg vor drei Jahren nicht – wie er selbst durch Wahlen in sein Amt gekommen ist, sondern als Ersatzmann für den toten Dollfuß.
Hitler legt Schuschnigg eine „Liste mit deutschen Vorschlägen für eine endgültige Regelung der österreichischen Frage" vor. Die wesentlichen Forderungen lauten:
● Konsultationspflicht für beide Regierungen in außenpolitischen Fragen, ● Ernennung des Staatsrats Dr. Seyß-Inquart zum Innenminister und Unterstel
lung des Sicherheitswesens unter diesen,
● politische Betätigungsfreiheit der österreichischen Nationalsozialistischen
Partei zur legalen Betätigung im Rahmen der „Vaterländischen Front",
● Amnestie für alle wegen nationalsozialistischer politischer Betätigung inhaf
tierten Österreicher,
● Wiederherstellung der Pressefreiheit,
● Zusammenarbeit der Streitkräfte Österreichs und Deutschlands,
● Vorbereitung der Angleichung der Wirtschaftssysteme beider Länder unter
Leitung eines gewissen Dr. Fischböck als Finanzminister und die
● Zusicherung der Deutschen Reichsregierung, daß sich reichsdeutsche Partei
dienststellen nicht in innerösterreichische Verhältnisse einmischen.
Die „Vorschläge" enden mit dem Ultimatum: „Der Bundeskanzler erklärt sich bereit, die vereinbarten Maßnahmen bis zum 18. Februar 1938 durchzuführen" 32 , also in nur einer Woche. Kanzler Schuschnigg macht dagegen geltend, daß ein Teil der Forderungen nach der Verfassung nur der österreichische Bundespräsident erfüllen könne, und es gelingt ihm, ein paar Details mit Hitler zu verhandeln und zu ändern. So wird zum Beispiel Dr. Fischböck nicht Finanzminister. Doch nachdem ihm Hitler klargemacht hat, daß er – Schuschnigg – unterschreiben müsse oder er – Hitler – auch anders handeln könne, setzt Schuschnigg seinen Namen unter das Papier.
Zurückgekehrt nach Wien, muß der österreichische Kanzler die deutschen Forderungen in die Tat umsetzen, sein Kabinett umbilden, Verurteilte amnestieren und zu alle dem den Bundespräsidenten überreden. Die Nationalsozialisten, nun vom Verbot befreit und ohne weiter von der Polizei verfolgt zu werden, mobili
Benoist-Méchin, Band 5, Seite 200 ADAP, Band I, Dokumente 294/295, Seiten 421-424
sieren jetzt in Graz, Salzburg, Klagenfurt und Linz die Massen und zeigen offen ihre Sympathie für eine Anschlußlösung. Minister Seyß-Inquart fahrt durch die Lande, um die Führer der Nationalsozialisten in den Bundesländern zur
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