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Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
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nicht überbrücken.

    Bundeskanzler Schuschnigg will ein in Habsburger Tradition stehendes souveränes Österreich erhalten, einen zweiten „besseren" deutschen Staat. Als die österreichische Regierung keinen Ansatz zeigt, ihr Versprechen aus dem Juli 1936 einzulösen und Kräfte aus der Nationalen Opposition an der politischen Verantwor

    v. Papen, Seite 424
    tung zu beteiligen, wird das Verhältnis zwischen Berlin und Wien wieder gespannt.
    In der Folgezeit lösen sich in Österreich pro- und antideutsche Demonstrationen des Bevölkerungswillens ab. Im April 1937 setzt Schuschnigg auf deutsches Drängen einen Vermittler zwischen der Regierung und den Kräften der sogenannten Nationalen Opposition ein, um diese, wie versprochen, zur Mitwirkung an der politischen Verantwortung heranzuziehen. Der Vermittler ist der junge und parteilose Rechtsanwalt Dr. Seyß-Inquart, der sowohl das Vertrauen seines Bundeskanzlers Schuschnigg hat als auch bald das von Adolf Hitler 29 . Seyß-Inquart macht keinen Hehl aus seinem Wunsch nach einem Anschluß Österreichs an das Deutsche Reich.

    Trotz des Deutsch-Österreichischen Abkommens vom Juli 1936 und der Vermittlungstätigkeit Seyß-Inquarts läßt der Druck der Diktatur im Donau-Staat nicht nach. Die Dokumentation eines Wiener Rechtsanwalts vom Juni 1937 legt Zeugnis davon ab, wie Gerichte, Parteibehörden, Gendarmerie und Polizei 1936 und 37 mit den Personen umgehen, die sich im Sinn der ersten österreichischen Verfassung von 1918 nach wie vor zur Einheit mit dem Deutschen Reich bekennen 30 . Die Dokumentation „Justitia fundamentum regnorum" , die Bundeskanzler Schuschnigg zugeleitet wird, umfaßt 264 Beispielfälle von Rechtsbrüchen und Verfolgung an Angehörigen der „Nationalen Opposition". Diese Sündenliste ist beachtlich. Sie umfaßt ● Haftstrafen ohne Gerichtsverfahren,
    ● Einweisung in Konzentrationslager ohne Gerichtsverfahren und Urteil,
● Untersuchungshaft ohne richterliche Anordnung,
● Beugehaft für Verwandte von Beschuldigten,
● Haft- und Geldstrafen ohne Schuldbeweis,
● Haftstrafen ohne Vorliegen eines Straftatbestandes,
    ● Doppelbestrafung in zwei getrennten Verfahren wegen ein und derselben
    Straftat,
    ● zusätzliche wirtschaftliche Nebenstrafen wie Vermögenseinziehung, ● Führerscheinentzug oder das Erheben von Verpflegungs- und Unter
    bringungskosten bei Konzentrationslager-Haft,
    ● Umkehrung der Beweislast in Strafverfahren,
● Geständniserpressung,
● körperliche Mißhandlung von Inhaftierten,
    ● Unterlassung von medizinischer Behandlung erkrankter oder verletzter politi
    scher Gefangener, zum Teil mit Todesfolge,
    ● Aberkennung der österreichischen Staatsbürgerschaft nach ungenehmigten
    Reisen nach Deutschland,

    Seyß-Inquart tritt erst 1938 der Nationalsozialistischen Partei Österreichs bei. Führer-Dokumentation
    ● Einziehung von Handwerks- und Gewerbegenehmigungen sowie Zulas
    sungen für akademische Berufe bei Personen mit „mangelnder staatsbürger
    lichen Verläßlichkeit" und
    ● Entlassung von Angehörigen des öffentlichen Dienstes wegen des „Ver
    dachts der nationalen Gesinnung" ohne Pensionen und Arbeitslosenhilfe.
    Die Gründe dieser Strafen liegen immer ähnlich. Es sind die Zugehörigkeiten zu verbotenen Parteien, meist zu den österreichischen Nationalsozialisten, oder zu einem der vielen deutsch gesonnenen Gesangs- und Sportvereine oder auch nur der Wunsch des Angeklagten nach einer deutsch-österreichischen Vereinigung und manchmal auch nur ein Verdacht in dieser Richtung.

    1935 bis 1937 zeigen Frankreich, England, Jugoslawien und die Tschechoslowakei immer weniger Sympathie für das „autoritäre" Österreich. Auch Italien wendet sich von Österreich ab und Deutschland zu. Zudem läßt ein Wirtschaftsaufschwung wie der in Deutschland auf sich warten. Im gleichen Zeitraum schließen sich die Saarländer mit 90,8 % Pro-Deutschland-Stimmen an das Deutsche Reich an, und die früher offene Rheinlandgrenze steht wieder unter dem Schutze deutscher Truppen. In Österreich sind dergleichen Erfolge nicht zu sehen und ein neuer Weg zu Habsburgs Glanz und Größe steht für das kleine Land nicht offen. Hinzu kommt, daß sich die Diktatur in Österreich kaum von der in Deutschland unterscheidet, so daß letztere kein Grund ist, einen Anschluß abzulehnen. So wird der Anschluß Österreichs an das Deutsche Reich für die Bürger Österreichs wieder zur attraktiven Perspektive. Besonders viele Menschen aus

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