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Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
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Bedingungen, die dieser Brief enthält, sind
    1. Eine neue Volksabstimmung wird innerhalb einer Frist von vier Wochen abgehalten. Sie wird im Einklang mit Artikel 65 der Bundesverfassung stehen.
    2. Mit der technischen Durchführung dieser Volksabstimmung wird der Innenminister Dr. Seyß-Inquart betraut.
    3. Die Zusammensetzung der Wahlkommission soll so erfolgen, daß in jeder einzelnen ein Vertreter der Nationalsozialisten seinen Sitz hat.
    4. Die Möglichkeit der Wahlpropaganda soll allen Parteien, also auch den Nationalsozialisten, zugestanden werden.
    5. Für den Fall der Ablehnung der obigen Bedingungen geben die beiden Minister und die sonstigen nationalen Funktionäre ihre Demission bekannt und lehnen jede Verantwortung für das weitere Geschehen ab.
    6. Diese Bedingungen müssen noch heute, bis spätestens 13 Uhr angenommen werden." 34
    Als Schuschnigg dieses Schreiben liest, bleibt ihm nur noch eine Stunde zur Entscheidung. Die Frist ist unannehmbar kurz, doch der österreichische Innenmini

    Bénoist-Mechin, Band 5, Seite 248

    ster verlangt von seinem Kanzler hier nicht mehr, als daß die Wahl nach Gesetz und Recht und mit gleichen Chancen für alle politischen Parteien abgehalten wird. Nach zwei Stunden läßt Kanzler Schuschnigg den Minister wissen, daß man zwar über die Rahmenbedingungen der Wahl, jedoch nicht über eine Wahlverschiebung sprechen könne. Die Volksabstimmung fände, wie einmal festgelegt, am Sonntag in zwei Tagen statt. Nun gibt Seyß-Inquart alle weiteren Versuche auf. Er wendet sich direkt vom Kanzleramt im Ballhaus telefonisch an Minister Göring in der deutschen Reichskanzlei und fragt um Rat.

    Die Wiedervereinigung

    In Deutschland hat man die Turbulenzen in Österreich seit dem 9. März verfolgt. Hitler wurde unverzüglich von den Überrumpelungswahlen Schuschniggs informiert. Es ist nicht schwer, die Absicht hinter den kuriosen Wahlauflagen zu durchschauen. Wahlaufsicht und Stimmauszählung nur durch eigene Leute riechen schon nach Fälschungsabsicht, und, die jungen Wähler auszuschließen, ist der offensichtliche Versuch, pro-deutsche Wähler von den Urnen fernzuhalten. Hitler sieht die Chance schwinden, daß sich Österreichs Bürger zu einem späteren Zeitpunkt in freien und korrekten Wahlen für den Anschluß an das Deutsche Reich entscheiden können, wenn zuvor nach einer manipulierten Volksbefragung das Gegenteil beschlossen worden ist.

    Am 9. März verkündet Schuschnigg seinen Wahlplan. Am gleichen Abend konferieren Hitler und Minister Göring über diesen Schuschnigg-Schachzug. Hitler ist verärgert, aber er hat zunächst kein Konzept, wie er reagieren soll. Göring, der ein paar Jahre in Österreich gelebt hat, und der Deutsche und Österreicher als eine einzige Nation empfindet, ist ein überzeugter Verfechter der Vereinigung der beiden Teilnationen. Er drängt Hitler, schnell in Österreich einzuschreiten 35 . So kommt der Entschluß zustande, sowohl politisch als auch militärisch in Österreich einzugreifen. Am Tage nach der Wahlankündigung, am 10. März, gibt Hitler vormittags um 11 Uhr den Befehl, daß am 12. März – einen Tag vor der geplanten Volksbefragung – Wehrmachtsdivisionen in Österreich einmarschieren. In der dazu in aller Eile verfaßten Weisung Hitlers heißt es:
    „Der Oberste Befehlshaber der Wehrmacht Berlin, den 11.3.1938

    Weisung Nr. 1
    1. Ich beabsichtige, wenn andere Mittel nicht zum Ziele führen, mit be waffneten Kräften in Österreich einzurücken, um dort verfassungsmäßi ge Zustände herzustellen und weitere Gewalttaten gegen die deutschgesinnte Bevölkerung zu unterbinden. ...
    4. Die für das Unternehmen bestimmten Kräfte des Heeres und der Luft waffe müssen ab 12. März spätestens 12.00 Uhr einmarsch- bzw. ein

    IMT-Verhandlungen, Band IX, Seite 333
    satzbereit sein. Die Genehmigung zum Überschreiten und Überfliegen der Grenze und die Festsetzung des Zeitpunktes hierfür behalte ich mir vor.
    5. Das Verhalten der Truppe muß dem Gesichtspunkt Rechnung tragen, daß wir keinen Krieg gegen ein Brudervolk führen wollen. Es liegt in unserem Interesse, daß das ganze Unternehmen ohne Anwendung von Gewalt in Form eines von der Bevölkerung begrüßten friedlichen Ein marsches vor sich geht. Daher ist jede Provokation zu vermeiden. Sollte es aber zu Widerstand kommen, so ist er mit größter Rücksichtslosigkeit durch Waffengewalt zu brechen.
    Übergehende österreichische Verbände treten sofort unter deutschen Befehl.
    6.

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