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Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
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An den deutschen Grenzen zu den übrigen Staaten sind einstweilen keinerlei Sicherheitsmaßnahmen zu treffen. Adolf Hitler" 36

    Kurz nach 21 Uhr am gleichen Abend gehen die entsprechenden Befehle an die bis dahin nicht vorgewarnte Truppe, der damit nur noch 13 Stunden bleiben. Am 11. März schon rollen die befohlenen Verbände in Richtung Österreich. Ob es allerdings zum Einmarsch kommt, ist damit nicht entschieden, denn Hitler behält sich mit Ziffer 4. der Weisung Nr. 1 die Türe offen, die Truppen anzuhalten, wenn, wie in Ziffer 1 geschrieben, „andere Mittel zum Ziele führen".

    Die politischen Stränge zieht nun vor allem der Minister Göring. Drei Stunden nachdem Hitler die Weisung Nr. 1 mit seiner Unterschrift versehen hat, am 11. März etwa 14.30 Uhr, erfolgt der schon erwähnte Anruf von Seyß-Inquart aus Wien bei Göring in Berlin. Der österreichische Innenminister teilt Minister Göring mit, daß Bundeskanzler Schuschnigg noch immer nicht gewillt ist, die Volksabstimmung auf einen vernünftigen Zeitpunkt zu verschieben. Göring bittet Seyß-Inquart, einen Augenblick am Apparat zu bleiben, geht zu Hitler und informiert ihn von der Neuigkeit aus Wien. Beide sehen, daß es so keine Chance mehr für eine faire Volksabstimmung in der Anschlußfrage gibt. Sie beschließen, nun direkt in das österreichische Geschehen einzugreifen und Schuschnigg durch Seyß-Inquart zu ersetzen. Göring bringt den Entschluß in aller Eile zu Papier, geht zurück an das Telefon und diktiert dem am anderen Leitungsende wartenden Seyß-Inquart:
    „ Teilen Sie das Schuschnigg wörtlich mit:
    Das Ultimatum gilt nach der erteilten Antwort für abgelehnt. Es ist nun der
    Rücktritt Dr. Schuschniggs zu verlangen. Mit der Bildung der neuen Re
    gierung ist Dr. Seyß-Inquart zu beauftragen. Die Mehrheit des neuen Ka
    binetts muß aus Nationalsozialisten bestehen. Die Volksabstimmung wird
    abgesagt. Eine neue Volksbefragung findet in 14 Tagen nach dem Vorbild

    IMT-Dokumente, Band XXXIV, Dokument 102 C
    der Saarabstimmung statt. Sie haben innerhalb einer Stunde Bescheid zu
    geben. Sollten Sie nach Ablauf der gesetzten Frist nicht angerufen haben,
    so wird hier angenommen, daß Sie am Telefonieren verhindert sind. In die
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    sem Falle werden wir entsprechend handeln."
    Seyß-Inquart gibt das Ultimatum an den Bundeskanzler weiter. Nun greift Schuschnigg zum letzten Strohhalm, den er sieht. Er versucht, den Chef der italienischen Regierung Mussolini anzurufen, um von ihm Hilfe zu bekommen. Die Antwort, die nach kurzem übermittelt wird, sagt nur, daß sich die italienische Regierung in der augenblicklichen Situation Österreichs jeglicher Stellungnahme enthält. Ohne einen einzigen Verbündeten im Ausland und mit zweifelhafter Rückendeckung in der eigenen Bevölkerung beginnt Schuschnigg, auf Raten nachzugeben. Erst teilt er den zwei Ministern Seyß-Inquart und Glaise-Horstenau mit, daß er die Wahl verschiebt. Er bittet, dieses Göring mitzuteilen. Inzwischen ist es 16 Uhr. Die zwei Minister rufen unverzüglich Göring in Berlin an, doch Göring gibt sich mit einer Wahlverschiebung nun nicht mehr zufrieden. Er diktiert das nächste Ultimatum:
    „ Die Lage ist nur zu retten, wenn der Bundeskanzler sofort zurücktritt und
    binnen zwei Stunden Dr. Seyß-Inquart zum Bundeskanzler ernannt wird.
    Wenn Herr Seyß-Inquart nicht bis 18.30 Uhr ernannt ist, erfolgt eine Stun
    de später, also um 19.30 Uhr, der deutsche Einmarsch in Österreich. Die
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    ser Beschluß ist diesmal unwiderruflich."
    Nachdem Seyß-Inquart und Glaise-Horstenau dem Kanzler auch diese Botschaft übermittelt haben, gibt Bundeskanzler Schuschnigg auf. Er begibt sich zu Bundespräsidenten Miklas, um seinen Rücktritt anzubieten. Doch der Präsident genehmigt nur die Verschiebung der Volksabstimmung, die er selbst für einen Fehler hält. Er weigert sich jedoch, Schuschnigg aus seinem Amte zu entlassen und Seyß-Inquart an dessen Stelle zu ernennen.

    Um 17.26 Uhr ruft Göring nun von sich aus in Wien an, um den Stand der Dinge zu erfragen. Als er hört, daß der Bundespräsident nicht nachgibt, schickt er Seyß-Inquart diesmal in Begleitung des deutschen Militärattaches zum Bundespräsidenten. Der Attache trägt Görings Forderungen und das Ultimatum noch einmal vor. Doch der Präsident will Innenminister Seyß-Inquart nicht als neuen Bundeskanzler akzeptieren. Er läßt in aller Eile den Präsidenten des Obersten Rechnungshofes Österreichs zu sich rufen und trägt ihm

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