Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Krieg der Welten

Der Krieg der Welten

Titel: Der Krieg der Welten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. G. Wells
Vom Netzwerk:
sagen, wo das Hauptquartier aufgeschlagen war. Der ganze Ort befand sich in einem Zustande geräuschvoller Verwirrung, den ich in noch keiner Stadt vorher gesehen hatte. Überall Karren und Wagen, die erstaunlichsten Zusammensetzungen von Fahrgelegenheiten und Pferdematerial. Die angesehenen Einwohner des Ortes" Männer in Golf- und Ruderkostümen, hübsch gekleidete Frauen, alle packten ein, von den Flußbummlern kräftig unterstützt. Die Kinder aufgeregt und zum größten Teil höchst entzückt über diese erstaunliche Änderung ihrer Sonntagserfahrungen. Und inmitten dieses Wirrwarrs stand der würdige Prediger, der mit anerkennenswertem Mut einen Frühgottesdienst abhielt. Seine Glocke schrillte in die Aufregung hinein.
    Der Artillerist und ich saßen auf der Sockelstufe des Trinkbrunnens und hielten mit den mitgenommenen Eßvorräten eine ganz leidliche Mahlzeit. Soldatenpatrouillen, hier nicht Husaren, sondern weiße Grenadiere, ermahnten die Leute, nicht länger zu zögern, sondern zu fliehen oder in den Kellern ihre Zuflucht zu nehmen, sobald das Schießen beginnen werde. Als wir die Eisenbahnbrücke überschritten, sahen wir, daß ein stetig anwachsender Menschenhaufen sich in und vor dem Bahnhof angesammelt hatte, und daß der Bahnsteig mit Koffern und Paketen überhäuft war.
    Wir hielten uns einige Zeit in Weybridge auf. Um die Mittagsstunde befanden wir uns an der Stelle neben der Sheppertonschleuse, an der Wey und Themse sich vereinigen. Der Wey hat eine dreiteilige Mündung, und an dieser Stelle kann man Boote mieten, oder man benutzt die Fähre, die über den Fluß führt. Auf der Seite von Shepperton war ein Gasthaus mit einem Rasenplatz, und dahinter erhob sich der Turm der Sheppertoner Kirche über den Bäumen.
    Hier fanden wir einen erregten und lärmenden Haufen Flüchtiger versammelt. Bisher war die Flucht noch nicht zu einer Panik angewachsen; doch waren schon jetzt viel mehr Leute da, als die Boote, die hin- und herfuhren, aufnehmen konnten. Immer mehr Menschen kamen, die unter ihren schweren Lasten keuchten. Ein Ehepaar schleppte sogar eine kleine Haustüre heran, auf die es seine Gerätschaften getürmt hatte. Ein Mann meinte, er würde versuchen, vom Sheppertoner Bahnhof abzufahren.
    Es wurde viel hin- und hergeschrien, und jemand machte sogar Witze. Die Leute schienen sich vorzustellen, daß die Marsleute einfach furchtbare menschliche Wesen seien, die wohl eine Stadt angreifen und plündern könnten, aber die man schließlich doch ganz gewiß vernichten werde. Jeden Augenblick spähten die Leute über den Weg hinweg nach den Wiesen vor Chertsey. Dort aber war alles ruhig.
    Jenseits der Themse, außer gerade dort, wo die Boote landeten, war alles still, in grellem Gegensatz zur Surreyseite. Die Leute, welche dort landeten, trabten alle den Feldweg hinab. Das große Fährboot hatte eben eine Fahrt zurückgelegt. Drei oder vier Soldaten standen auf dem Rasenplatz des Gasthauses, gafften und machten sich über die Flüchtlinge lustig, ohne Miene zu machen, ihnen zu helfen. Das Gasthaus war vorschriftsmäßig geschlossen. "Was ist das?" rief ein Bootsmann, und "Kusch dich, du Narr!" herrschte ein Mann neben mir seinen kläffenden Hund an. Da war der Ton wieder, dieses Mal aus der Gegend von Chertsey, ein dumpfer Schlag - das Feuern eines Geschützes.
    Die Schlacht begann. Fast unmittelbar fielen unsichtbare Batterien - unsichtbar wegen der Bäume - jenseits des Flusses zu unserer Rechten in den Chor ein, heftig feuernd - eine nach der andern. Eine Frau kreischte. Jedermann stand bei dem plötzlichen Beginn der Schlacht wie gebannt da; sie tobte neben uns und uns doch unsichtbar. Nichts war zu sehen als ebene Wiesen und unbekümmert weitergrasende Kühe und beschnittene Silberweiden, die regungslos im warmen Sonnenlicht standen.
    "Die Soldaten werden sie schon aufhalten", meinte eine Frau neben mir etwas unsicher. Ein feiner Rauch erhob sich über den Baumkronen.
    Plötzlich sahen wir eine Rauchwolke weit oben am Fluß, ein Rauchstoß, der in die Luft schoß und dort hängenblieb. Im selben Augenblick hob sich der Boden unter unsern Füßen, und ein heftiger Zündschlag erschütterte die Luft; einige Fenster in den näher gelegenen Häusern zerschellten. Wir blieben betäubt stehen.
    "Da sind sie!" schrie ein Mann in blauem Jersey. "Da drüben! Seht ihr's nicht? Da drüben!" Blitzschnell, einer nach dem andern, tauchten ein, zwei, drei, vier gepanzerte Marsleute in weiter Ferne bei den kleinen

Weitere Kostenlose Bücher