Der Krieg der Zauberer, Band 2: Das Orkland (German Edition)
Thorold und Dassios, diejenigen, die an deiner Seite gekämpft haben und gestorben sind! Erkennst du uns nicht wieder oder willst du uns abermals im Stich lassen, alter Freund?“
Der Schwall der Stimmen, die über den Norda-Por zu ihnen drangen, klang so verzerrt und weit entfernt, als ob sie auf den Schwingen eines Sturmes herbeiflogen oder aber vom Heuleneines kalten Windes geformt wurden, der durch die Felsspalten eines dunklen Gebirges blies. Trotzdem waren die Worte klar verständlich, so entsetzlich ihr Klang auch war, und selbst das Rauschen und Tosen der Brandung, die in der tiefen Schlucht zwischen den beiden Kontinenten an den Klippen wühlte, durchschnitten sie wie mit einer eisigen, zu unendlicher Schärfe geschliffenen Klinge.
„Ich ... erkenne Euch wieder – aber das kann nicht sein ...“, keuchte der Zauberer, der mit einem Mal besonders klein, gebrechlich und alt wirkte.
Die Menschen, die Mucklins und der Elb spähten über den Pass nach Norden, und in der Ferne erahnten sie zwei schwärzliche, berittene Gestalten, die sich nun langsam in Bewegung setzten.
„Marix hat bereits sein Leben gelassen, und nun sind wir gekommen, um dich zu holen, alter Mann! Außerdem führen wir Grüße für dich im Gepäck, die dir ein alter Freund bestellt ...“,
erhoben sich ihre Unheil verkündenden, tiefen Grabesstimmen neuerlich.
„Ghuras – welch entsetzliches Übel!“, erwiderte Lotan, als ihn die Erkenntnis dessen, wer (oder was) sich ihnen näherte, endgültig verschlang. Seine Stimme war dabei kaum mehr noch als ein Krächzen.
Einige Augenblicke verstrichen und erschienen in ihrer Ausdehnung länger als Stunden und Tage zu sein, während die sommerliche Wärme zusehends von winterlichen Klauen zerfleischt zu werden schien. Eine Kälte, tief bis ins Mark reichend und mit spitzer Klinge grabend, legte sich wie ein Henkersstrick um die Hälse der Gefährten und schnürte ihnen die Kehlen zu, sodass ihnen das Atmen schwer und schmerzhaft geriet.
„Gibt es denn gar nichts, was wir tun können ...?“, fragte Neimo, der dem Nahen der Schattenkönige aus irgendeinem Grund am ehesten zu widerstehen vermochte, bange.
„Natürlich gibt es das! Es gibt keinen noch so bösen Zauber, den man nicht mit einem anderen vergelten könnte!“, platzte es plötzlich aus Lotan heraus. Er hatte ein wenig gebraucht, um die Lähmung, die die Stimmen der unheimlichen Feinde über ihn gestülpt hatten, abzuwerfen. Nun jedoch schien er umso mehr von Wut entflammt zu sein und zu Entschlossenheit zurückgefunden zu haben.
Der Zauberer erhob seine Arme, begann mit ihnen zu wedeln, so als wollte er eine Schar nistender Vögel aufrühren, und begann mit dem dumpfen Intonieren einer ganzen Abfolge von Zaubersprüchen. Keiner der anderen hatte die Sprache, der er sich bediente, jemals gehört, und selbst der Sprechrhythmus und die Stimme des Menschen klangen völlig fremdartig, Ehrfurcht gebietend und so alt, als ob sie aus einer weit früheren Zeit zu ihnen drang. Die Wirkung, die der Zauberer erzielte, war dafür umso gegenwärtiger.
Die Wellen zu beiden Seiten des Orkland-Passes peitschten aus, sprangen wie angriffslustige Raubtiere von riesenhafter Gestalt in die Höhe und gebärdeten sich mit einer Wildheit, die einem jeden Betrachter schlichtweg das Herz stocken ließ. Ganze Berge von Brechern türmten sich mehrere hundert Fuß auf, schlugen über dem Pass zusammen und begruben alles, was sich unter ihnen befand, mit ihrer schäumenden Gischt. Nicht länger als eine Weile dauerte jenes unbeschreibliche Naturschauspiel an, doch auch nachdem das erste und schlimmste Wüten der Springflut vorüber war, war die Strömung noch lange nicht wieder völlig gebändigt, denn die Wassermassen hielten den Übergang zwischen Arthilien und Orgard noch eine Zeitlang überflutet und traten überall über die Ufer. Die schneidenden, laut tönenden Stimmen der Schattenkönige waren indessen vorerst verklungen und blieben verstummt. Was ja auch der Sinn der Übung war.
„Wir sollten uns nicht zu früh freuen“, sagte der Zauberer. „Ich glaube kaum, dass wir sie erwischt und erledigt haben. Aber immerhin sollten sie jetzt für eine ganze Weile am nördlichen Ufer festsitzen und danach einige Zeit brauchen, bis sie unsere Spur wiederfinden.“
„In der Zwischenzeit schlage ich vor, dass wir uns ein trockenes Plätzchen suchen. Hier nämlich könnte es gleich etwas ungemütlich werden“, meinte Alva, und angesichts dessen, dass das
Weitere Kostenlose Bücher