Der Krieg der Zwerge
sie die Sprache der Menschen nicht beherrschten, übersetzte er den Kommandanten, was sie zu berichten hatten. »Unser Feind hat sich tief in sein Reich zurückgezogen und zahlreiche Fallen hinterlassen, die uns einen geschlossenen Vormarsch erschweren. Den Wäldern, welche durch die Macht des Toten Landes schwarz wurden, gelang es nicht, sich von der Bosheit zu befreien. Unsere erste Prüfung wird darin bestehen, unbeschadet durch den Wall der Bäume zu gelangen.«
»Und wenn wir abwarten?«, schlug der Befehlshaber der sangreînischen Truppen vor. »Wir haben schon an anderen Orten gesehen, dass der Fluch des Toten Landes genommen wurde und sich die Erde erholte. Vielleicht geschieht es auch hier? Einen Marsch durch peitschende Äste und schlagende Stämme möchte ich meinen Leuten nicht zumuten. Es wird sich auf ihren Kampfgeist auswirken.« Die anderen Menschen stimmten ihm zu.
»Ich verstehe Eure Vorbehalte.« Liútasil setzte sich und stützte die Arme auf die Platte. »Wir Ihr wisst, gehörten diese Wälder einst den Elben, und sie sind alt. Zu alt. Ihre Wurzeln haben das Übel zu lange eingesogen und sind vollständig von ihm durchdrungen«, fasste er zusammen. »Meine Späher haben gesehen, dass die Bäume endgültig sterben und zu Stein werden, doch es wird lange dauern, bis sie ihre Äste nicht mehr bewegen können. Diese Zeit will ich den Albae nicht geben. Wir haben ihnen am Schwarzjoch eine Niederlage zugefügt, von der sie sich nicht erholen dürfen, versteht Ihr das?«
Mit seinen Worten senkte sich Stille in das Zelt herab. Der Elbenfürst gab den Anwesenden Gelegenheit, ihre Gedanken zu ordnen und über das nachzusinnen, was er ihnen eröffnet hatte. Nach einer kurzen Unterredung mit den Spähern entließ er sie, damit sie ihre Wunden behandeln ließen.
Danach trat er an den Zelteingang, lehnte sich an einen Seitenpfosten und blickte hinauf zu den Gestirnen.
Verband man einige der funkelnden Sterne mit gedachten Linien, zeigten sich die stilisierten Antlitze von legendären Elben am Schwarz des Himmels. Sie waren von ihrer Schöpferin Sitalia wegen ihrer Weitsichtigkeit, ihrer Tapferkeit und ihrer Weisheit nach ihrem Tode zu Höherem gemacht worden. Nun wachten sie von dort oben über ihre Nachkommen, sandten ihnen Visionen und Botschaften.
Liútasil suchte das Gesicht Fanturs, des zweiten Elbenfürsten Âlandurs und Bruders von Veïnsa, die einst Fürstin der Elben der Goldenen Ebene gewesen war. Ich ersuche deinen Beistand, betete er stumm zu den leuchtenden Punkten hinauf. Schick mir eine Eingebung, wie ich sie von meinem Standpunkt überzeugen kann. Er kehrte an seinen Platz zurück. »Wie ist Eure Meinung?«
»Es sind nach wie vor immer noch Bäume, richtig?«, wandte sich ihm der Befehlshaber von Rân Ribastur zu, und der Elb nickte. »Nun, wie wir alle wissen, fangen Bäume Feuer. Mein Vorschlag lautet daher, uns eine Schneise durch den verfluchten Wald bis ins Herz ihres Reiches zu brennen.«
»Damit werden sie genau wissen, wo wir sind«, gab Liútasil zu bedenken. »Wir wären ein leichtes Ziel für ihre Bogen und verlören hunderte …«
Der Mann zuckte mit den Schultern. »Wen kümmert's? Wir sind ihnen an Stärke weit überlegen. Sollen sie nur wissen, dass wir kommen, Fürst Liútasil. Und wenn sie sich uns nicht stellen, zünden wir eben den gesamten Wald an. Mich würde es nicht stören, wenn wir uns von dem Vermächtnis des Toten Landes befreiten.«
Die Menschen pochten auf den Tisch und zeigten ihre Zustimmung zu dem Vorschlag.
Liútasil ahnte, dass er diesen Handel eingehen musste. »Wir sollten warten, bis das Kontingent der Zwerge bei uns eingetroffen ist«, gab er zu bedenken. »Vielleicht weiß einer von ihnen eine bessere Lösung. Ich habe einen Trupp Späher unter der Führung meiner Vertrauten Shanamil ausgesandt, um sie zu unserem Lager zu geleiten. Sie müssten in zwei Umläufen zu uns stoßen.«
»Die Zwerge sind gut, wenn es um Arbeiten unter der Erde geht«, warf der Kommandant sofort ein, »aber von den Dingen über der Erde verstehen sie – bei aller Hochachtung für ihre scharfen Beile und ihren Mut – gewiss nicht viel. Wer ist für die Brandrodung?« Er hob den Arm, und die Mehrheit schloss sich ihm an.
»Wir werden sehen, was die Zwerge sagen«, beharrte der Elb freundlich, aber unnachgiebig. »Begebt Euch zu Bett. Wir warten, was uns die Sonne bringt.«
Nacheinander verließen sie das Zelt, und endlich war der Fürst allein. Er öffnete die Schnüre, die
Weitere Kostenlose Bücher