Der Krieg der Zwerge
das Geborgene Land und hielten darauf zu. Boïndil wandte sich noch einmal um und schüttelte sich, wie um die Beklemmung des Jenseitigen Landes abzuwerfen. »Es wundert mich nicht, dass nur wenige Expeditionen der Menschen zurückgekehrt sind«, sagte er zu Tungdil. »Nichts brächte mich freiwillig dahin zurück.«
Sein Freund konnte ihm nur zustimmen.
* Bis auf die Wachen, welche pflichtgemäß ihren Dienst an den strategisch wichtigen Punkten versahen, erschienen sämtliche Zwerginnen und Zwerge, die mit Tungdil ausgezogen waren, in der großen Halle. Einst hatte sie den Fünften als Versammlungsstätte gedient, wie die Inschriften auf den silbernen Platten an den Wänden verrieten. Nicht alle hatten die Zeit der Scheusale heil überstanden, vor allem die kostbareren unter ihnen hatten schwer unter deren Beutegier gelitten. Etliche Stücke waren achtlos herausgeschlagen und – gebrochen worden.
Die Halle selbst zeugte vom großen Einfallsreichtum der Fünften.
Sie begann mit einer kreisrunden Grundfläche, die zwanzig Schritt im Durchmesser maß. Die Wände stiegen einen Schritt senkrecht nach oben an und verliefen dann im rechten Winkel etwa vier Schritte nach hinten, woraus sich ein breiter Sims ergab, ehe die Wände erneut senkrecht emporstiegen; auf diese Weise hatten die Steinmetzen Giselbart Eisenauges Kreis um Kreis in den Berg geschlagen. Die Anordnung erinnerte Tungdil an das Theater in Mifurdania, in dem er Narmora, Furgas sowie den im wahrsten Sinne des Wortes unglaublichen Rodario zum ersten Mal gesehen hatte. Jedes noch so leise geflüsterte Wort konnte an jeder Stelle der Halle gut vernommen werden. Ausreichend Licht verschafften ihnen die dunkelrot lodernden Kohlestücke, die in eisernen Haltern verbrannten.
Tungdil stand im Zentrum, dem untersten, ebenerdigen Kreis, die anderen Zwerge füllten die Ränge. Er nutzte die Gelegenheit, um sie zu zählen, und kam auf etwa achthundert seines Volkes, die sich ihm freiwillig angeschlossen hatten; etwa dreihundert von ihnen waren Frauen.
»Ich freue mich, euch alle hier zu sehen«, begrüßte er sie, nachdem Ruhe eingekehrt war. »Wir haben einiges zu bereden.«
Zuerst berichtete er ihnen von den Neuigkeiten, welche sie vom Nordpass mitbrachten, was mit Gelassenheit aufgenommen wurde. Die Zwerge rechneten jederzeit damit, gegen Orks anzutreten, mochten es noch so viele sein.
»Vraccas sei mein Zeuge, dass ich mich niemals dazu gedrängt habe, euer Anführer zu sein«, schnitt er den zweiten Grund für die Versammlung an. »Ich bin nicht von euch dazu gewählt worden und möchte es mir nicht länger anmaßen, dieses Amt zu bekleiden. Wenn die stürmischen Zeiten kommen, muss diese Frage geklärt sein, damit der Feind aus möglichen Streitigkeiten in den eigenen Reihen keinen Vorteil ziehen kann.« Er schluckte den Kloß im Hals hinab. »Ich bin ein Dritter, wie ihr alle wisst. Neulich ist es mir sehr deutlich gesagt worden. Es gibt nach wie vor Bedenken, was meine Ergebenheit gegenüber dem Volk der Zwerge anbelangt. Und solange diese Vorbehalte nicht verklungen sind, werde ich nichts anderes als ein gewöhnlicher Krieger sein.« Tungdil hob die Axt und drehte sich auf der Stelle. »Einer aus euren Reihen soll sich bereit erklären, König im Reich der Fünften zu sein. Ich kann es nicht.« Er senkte den Arm und trat augenfällig zur Seite, um seinen Rücktritt zu verdeutlichen.
Die Zwerginnen und Zwerge berieten sich. Das vervielfachte Echo ihrer tiefen Stimmen erzeugte ein anhaltendes Brummen in der Halle, ein Zeichen des Lebens im Grauen Gebirge.
Tungdil hielt seine Begründung für ausreichend. Als er seine Abstammung erwähnt hatte, hatte er geglaubt, in einigen Gesichtern schlecht verhohlene Erleichterung und offene Zustimmung zu seiner Entscheidung erkannt zu haben. Er dankte Vraccas, dass er ihm diese Einsicht gegeben hatte.
Eine brünette Zwergin erhob sich und schlug mit ihrem Hammer auf den Boden. Das helle Geräusch brachte die Gespräche zum Verstummen. »Ich bin Kyriss Feinhand aus dem Clan der Gutschmieder vom Stamm des Ersten. Auch wenn ich dir weiterhin gefolgt wäre, Tungdil Goldhand, so verstehe ich, warum du dich so entschieden hast. Wir werden dich und dein Wissen nichtsdestotrotz benötigen.« Sie senkte den Hammer vor ihm und erwies ihm damit ihre Anerkennung. »So ist es an der Zeit, jemanden zu benennen, der geachtet und fähig ist, uns alle zu führen«, fuhr sie fort. »Ich schlage Glaïmbar Scharfklinge aus dem Clan der
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