Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Kristallstern

Der Kristallstern

Titel: Der Kristallstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vonda McIntyre
Vom Netzwerk:
Hethrirs Sternenschiff laufen. Es sollte sich seiner Bestimmung auf den eigenen zwei Beinen nähern.
    Tigris setzte Anakin ab.
    »Nein!« brüllte Anakin. »Nein, nein, nein!«
    Er packte Tigris’ Bein und hielt sich verzweifelt fest.
    »Hör jetzt auf«, sagte Tigris. »Du benimmst dich überhaupt nicht würdevoll.«
    »Nicht gehen!« kreischte Anakin. »Nein.« Er öffnete den Mund und schrie. Es war ein schriller Schrei, der sich in Tigris’ Ohren bohrte.
    »Sei still!« sagte Tigris.
    Anakin schrie nur noch lauter. Tigris ging neben Anakin in die Hocke und löste die verkrampften Finger des Kindes vorsichtig von seinem verschlissenen braunen Umhang.
    »Kleiner«, sagte Tigris ganz sanft, »es wird alles gut werden.«
    Anakin hörte mit dem Schreien lange genug auf, um Luft holen zu können.
    Tigris umarmte das Kind.
    »Es wird alles gut werden«, sagte er abermals.
    Anakin schlang seine Arme um Tigris’ Hals, schluchzte leise an seiner Schulter und drückte sich gegen sie.
    Tigris versuchte sich zu erinnern, wann ihn zuletzt eine andere Person berührt hatte. Lord Hethrir berührte ihn niemals, nicht einmal um ihn zu disziplinieren. Die Stimme des Lords reichte aus, um seinen Willen durchzusetzen. Tigris dachte mit wilder Eifersucht an die Momente, in denen Lord Hethrir einem seiner Proktoren anerkennend die Hand auf den Kopf legte oder jemandem einen Orden an die Schulter heftete und ihm die Hand schüttelte.
    Meine Mutter war die letzte Person, die mich berührt hat, dachte Tigris. Ich war zehn, und sie umarmte mich und strich mir über das Haar und sagte mir, daß sie mich liebte. Aber die ganze Zeit über beraubte sie mich meiner Fähigkeit, die Macht zu berühren. Und selbst Lord Hethrir ist nicht in der Lage gewesen, sie mir zurückzugeben.
    Die letzte Person, die mich berührt hat, dachte Tigris voller Wut, war eine Verräterin.
    Anakins Schluchzer verlangsamten sich und wurden zu bloßem Schnauben. Tigris wurde sich plötzlich darüber klar, daß Lord Hethrirs Proktoren das Landefeld überquert hatten und im Sternenschiff verschwunden waren. Lord Hethrir selbst stand in der Eingangsluke, wartete auf Tigris und Anakin und beobachtete mißbilligend, wie Tigris das Kind mit Schwäche verdarb.
    Tigris sprang auf die Füße. Anakin klammerte sich an ihm fest, aber seine kleinen Hände rutschten ab. Er wäre hingefallen, wenn Tigris nicht sein Handgelenk gepackt hätte.
    »Kein Weinen mehr!« sagte Tigris grob. Er zog Anakin ein paar Schritte hinter sich her. Der Junge leistete krampfhaft Widerstand; neue Unmutsfalten erschienen in seinem Gesicht. In den Schatten der Einstiegsluke des Sternenschiffs machte Lord Hethrir eine finstere Miene.
    Tigris nahm Anakin hoch, ignorierte dabei die Schmerzen in seinen Armen und trug ihn über das Feld und die Gangway hinauf. Die Luke schloß sich hinter ihnen.
    In der Gegenwart Lord Hethrirs wurde Anakin still. Er sah den Lord an, gedankenvoll und eindringlich. Tigris war stolz auf den kleinen Jungen. Anakin erkannte Hethrirs Macht und fügte sich ihr.
    Schweigend drehte sich Lord Hethrir um und ging in sein Aushilfsschiff hinein, gefolgt von Tigris. Im Passagierraum hatten sich die Proktoren bereits angeschnallt. Sie taten so, als würden sie von Tigris keine Notiz nehmen, aber einer von ihnen flüsterte hinter vorgehaltener Hand: »Kindermädchen«.
    Tigris errötete, aber Lord Hethrir achtete nicht darauf, und so tat Tigris so, als ob er die Beleidigung nicht gehört hätte.
    Hethrir deutete auf eine der Sitzbänke. Gehorsam löste sich Tigris aus Anakins Armen, setzte das Kind auf die Sitzbank und legte ihm die Gurte an. Anakin fing an zu zappeln. Tigris nahm Anakins Hand und faltete die kleinen Finger. Dabei kam ihm ein flüchtiger Gedanke in den Sinn: die Größe seiner eigenen Hand. Seine Hände wirkten im Vergleich zu seinem Körper plump und unverhältnismäßig groß. Er war in jüngster Zeit gewachsen, aber seine Arme und Beine hatten mit Händen und Füßen nicht Schritt gehalten. Seine Knochen schmerzten wie die eines alten Mannes, insbesondere nachdem er stundenlang trainiert hatte. Er fühlte sich plump. Er hatte ständig Hunger.
    Er setzte sich neben Anakin auf die Couch und griff mit der freien Hand nach den Gurten.
    »Laß ihn hier und komm mit mir«, sagte Lord Hethrir scharf und schritt aus dem Passagierraum.
    Freudig erregt, aber auch geschockt sprang Tigris auf die Füße. Die Proktoren funkelten ihn an, eifersüchtig und beleidigt. Anakin

Weitere Kostenlose Bücher