Der Kristallstern
komplizierter als das«, sagte Rillao. »Meine Beziehung zu Hethrir ist… einzigartig.«
»Wie konnten Ihre Leute mit dem Wissen, daß ihre Kinder verschleppt wurden, wegfliegen?« rief Lelila.
»Ihre Kinder wurden nicht verschleppt. Mein Sohn ist der einzige Jugendliche unseres Volkes, der noch lebt. Hethrir zwang mein Volk nicht, dabei zuzusehen, wie ihre Kinder in die Sklaverei verkauft wurden. Er verschleppte sie von Firrerre und ließ ihre Kinder zurück. Dann zerstörte er unsere Welt. Er zwang sie, mit anzusehen, wie ihre Kinder und der Rest unseres Volkes starben.«
Rillao legte ihre gefalteten Hände in den Schoß und lehnte sich in der Koje zurück. Selbst ihr Zorn hatte sich erschöpft.
Lelila konnte nicht sprechen. Sie war entsetzt von den Beweisen für die Existenz eines verborgenen Bösen, eines Bösen, von dem sie geglaubt hatte, daß es vernichtet worden war. Natürlich, es gab noch einige wenige Überlebende des Imperiums, die Leid und Elend brachten, wenn sie zuschlugen, aber sie hatten wenigstens den Mut, sich zu zeigen.
Dieses Böse mußte enttarnt werden. Hethrir mußte gejagt und gefangengenommen werden. Dieses »Neugeborene Imperium« mußte zerstört werden.
Sie zog die Knie bis zur Brust hoch, schlang die Arme um die Beine und barg ihr Gesicht darin.
»Und jetzt, glaube ich«, sagte Rillao, »sind Hethrir die Frachterkinder ausgegangen, die er verkaufen kann. Hat er angefangen, sie von den Republikwelten zu verschleppen? Versuchen Sie, eins zu retten?«
Lelila zögerte, entschied sich dann, soviel von der Wahrheit zu verraten, wie sie wagen konnte.
»Zuerst dachten die Eltern, daß es sich um ein Kidnapping handelt. Um Lösegeld zu erpressen.«
»Aber es ging keine Lösegeldforderung ein, und so heuerten sie Sie an.«
»Ja.«
»Und Sie sind…« Rillao unterbrach sich, wählte ihre Worte sehr sorgfältig, um nichts Beleidigendes zu sagen. »Sie sind neu in dieser Profession.«
»In dieser speziellen Profession, ja.«
»Ich werde Ihnen helfen«, sagte Rillao. »Und Sie werden mir helfen.«
»Ja«, sagte Lelila.
»Bringen Sie uns nach Chalcedon«, sagte Rillao. Sie schlief ein.
Tigris trug Anakin den langen Tunnel hinunter, der zum Landefeld des Weltschiffs führte. Er folgte Lord Hethrir und elf handverlesene Proktoren. Der neueste Proktor marschierte am Ende der Reihe. Tigris beeilte sich, um aufzuschließen, um die Zweierreihe zu komplettieren.
»Kindermädchen!« fuhr ihn der neue Proktor höhnisch an. »Wie kannst du es wagen, neben mir zu gehen? Geh hinter mir her, dort wo du hingehörst!«
Gedemütigt ließ sich Tigris zurückfallen.
Ich hoffe, du stirbst, dachte er wütend an die Adresse des neuen Proktors. Es wird Zeit, daß ein neuer Proktor beim Läuterungsritual scheitert! Ich hoffe, du bist es!
Immer wenn ein Läuterungsritual scheiterte, mußten die Proktoren einen Verschwiegenheitseid wegen des Todes ihres Kameraden leisten. Niemand hielt es je für nötig, Tigris einen Eid abzuverlangen, so daß es ihm möglich gewesen wäre, dem neuen Proktor von dem Risiko zu erzählen, wenn er das gewollt hätte. Er hatte die Macht dazu und erfreute sich ihrer, entschied sich aber wieder einmal, keinen Gebrauch davon zu machen. Er würde Lord Hethrir, gegenüber loyal bleiben, auch ohne Eid.
Das Gewicht des Kindes Anakin ließ Tigris’ Arme schmerzen. Der Schmerz demütigte ihn. Er hatte sich für stark gehalten. Er verbrachte jeden Tag Stunden, um mit einem Übungsschwert zu trainieren. Er trainierte in jedem bißchen Freizeit, das er abknapsen konnte. Manchmal schlich er sich mitten in der Nacht aus dem Schlafsaal, um zu üben, obgleich er am anderen Tag darum kämpften mußte, wach zu bleiben, damit er für Lord Hethrirs Befehle bereit sein konnte. Er wünschte nur, daß die Schlafperiode des Weltschiffs immer mit der Nacht auf dem Weltschiff übereinstimmte. Er übte gerne in der Dunkelheit, wo ihn niemand sehen konnte, wo ihn niemand damit aufziehen konnte, daß er nur ein selbstgemachtes Übungsschwert anstelle eines richtigen Lichtschwerts benutzte. Die Tage und Nächte des Weltschiffs waren so kurz, daß manchmal alle während des vollen Tageslichts schliefen. Und manchmal wurde er gesehen.
Anakin klammerte sich an Tigris’ Hals fest. Das heiße Licht der winzigen Sonne des Weltschiffs fiel in die Tunnelöffnung ein. Wie Schattenrisse folgten die Proktoren vor ihm Lord Hethrir auf das Landefeld.
Das Kind kann laufen, dachte Tigris. Es sollte zu Lord
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