Der Kronrat (German Edition)
Nachts Gedichte rezitierend durch die Hallen der Kronburg streifte, sowie einen, der sich nur seinen Büchern widmete, und wieder einen, der seine Burgen und Schlösser ausbauen und vergolden lassen wollte. Und hin und wieder solche, die vernünftig genug waren, das Reich zu halten und zu erneuern.
Was auch immer dieses Herrschergeschlecht falsch gemacht hatte, es hatte Eleonora hervorgebracht, und ohne Zweifel würde sie als die Größte von ihnen in die Bücher der Gelehrten und Geschichtsschreiber eingehen.
Jetzt sollte Leandra die Krone Illians tragen. Wenn wir die Heimat retten konnten, würde es sich zeigen, ob sie eine gute Königin sein würde. Ich jedenfalls war der festen Überzeugung.
Sie hatte mir die Krone an ihrer Seite angeboten. Lieber schlug ich mich mit allen Mächten der Dunkelheit herum, als diese Verantwortung auf mich zu laden.
»Kannte dein Vater ihn gut?«, fragte ich. »Den Kaiser, meine ich.«
Serafine nickte. »Sie waren Freunde. Und der Kaiser schien auch Interesse an mir zu hegen, er fragte immer, wie es mir ging, und brachte mir Geschenke mit …«
»So war das also«, unterbrach ich sie. »Du hast auch ihn um den Finger gewickelt.«
»Wohl wahr!« Sie kicherte. »Ein hinterhältiges Talent, das kleine Mädchen von den Göttern erhalten und das ich gut zu nutzen vermochte.«
»Das glaube ich gern. Was für Geschenke bringt ein Kaiser einem Kind?«
»Süßigkeiten vom Markt, ein Pony, einen Ballen Seide aus Xiang, einen Dolch, den er selbst für mich geschmiedet hat, und die Perlen zu unserer Hochzeit. Und Geschichten.« Sie lächelte sanft. »Er erzählte mir Geschichten von fernen Ländern, von Göttern und Helden, die sich immer dann einfinden würden, wenn es notwendig wurde. Dass es die kleinen Heldentaten wären, die den Lauf der Geschichte ändern würden, die großen bräuchte es nur dann, wenn die kleinen ausbleiben würden. Unrecht finge im Kleinen an, erzählte er, und dort wäre es auch leicht zu bekämpfen. Im Kleinen müsse man es jäten, bevor es wie Unkraut wuchern würde.« Sie blieb stehen und sah zu mir auf. »Ich denke, der Mann hatte seine Fehler, aber als Kind vergötterte ich ihn. Doch eines weiß ich mit Sicherheit: Dass er die Gesetze schrieb und sich selbst eisern an sie hielt, das machte ihn zu einem großen Mann, nicht seine Beherrschung der Magie. Nicht seine Macht, sondern seine Gerechtigkeit.« Sie legte mir die Hand auf den Arm. »Havald, ich kann nicht glauben, dass er bei Soltar weilt, und ich weiß, dass er an diesem Konflikt beteiligt ist. Es gab nichts, was er mehr verabscheute, als einen Seelenreiter, und es ist undenkbar, dass wir gegen diesen Nekromantenkaiser ziehen, ohne dass Askannon auf unserer Seite steht.«
»Eine fromme Hoffnung«, entgegnete ich. »Man sollte meinen, dass es schon genügend Gelegenheiten gegeben hat, bei denen er hätte eingreifen können.«
»Irgendetwas ist geschehen, das seine Pläne umgeworfen hat«, vermutete sie. »Und ich glaube, es hat damit zu tun, dass Balthasar, Asela und Feltor unter die Macht dieses Nekromantenkaisers fielen. Ich bin jetzt sicher, dass es so war, denn das allein erklärt, was geschehen ist. Desina sagt, sie wolle in den Archiven des Turms nach Hinweisen suchen, allerdings müsse sie dazu den nächsten Grad der Meisterschaft erlangen. Und daran verzweifelt sie. Es ist offenbar eine Art Prüfung, die sie ablegen muss, aber sie weiß nicht, wie sie diese bestehen soll.«
»Sagte sie, um was es geht?«, fragte ich.
Wie in Bessarein auch, war dieser Platz groß und weit, mit den Tempeln der drei Götter in den Ecken. Allerdings stand hier ein vierter Tempel, dunkel und verlassen und, soweit ich es aus der Ferne erkennen konnte, bis auf das große Tor zugemauert. Er war schlichter und kleiner als die prunkvollen Häuser der anderen Götter und schien mir auch deutlich älter.
»Nein.«
»Frag sie bei Gelegenheit. Du kanntest Balthasar und die anderen Eulen gut, vielleicht weißt du etwas, das ihr helfen kann, die Prüfung zu bestehen.«
»Ich werde der Eule wohl kaum helfen können«, meinte sie.
»Wer weiß?« Ich wies mit der Hand auf den fernen dunklen Tempel. »Sag mir, weißt du, wer hier verehrt wurde?«
Sie schaute hinüber und runzelte die Stirn. »Ich glaube, es war der Göttervater selbst. Ich bin mir nicht sicher, denn auch zu meiner Zeit war der Tempel zugemauert. Ich glaube, er gab seiner Priesterschaft Anweisung, die anderen Götter zu stützen und ihnen zu dienen. Er
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