Der Kronrat (German Edition)
sagte, es sei das Zeitalter seiner Götterkinder und nicht das seine, und er würde zurückkommen, wenn es an der Zeit wäre.«
»Ich nehme an, wann diese Zeit kommen würde, ließ er offen?«
»Natürlich«, lachte sie. »Hast du etwas anderes erwartet?«
Schließlich hatten wir den Soltartempel erreicht. Dieser hier war ein prunkvoller Bau mit hohen Säulen und weiten Treppen, gleich drei großen Toren aus reich verzierter Bronze, die offen standen, dahinter erkannte ich die große, nur schwach von Nachtlichtern erleuchtete Halle. Getragener Gesang aus vielen Kehlen wehte uns entgegen. Vor uns ging eine Gruppe, die einen Toten auf einer Bahre in den Tempel trug, gefolgt von Trauergästen mit gesenkten Häuptern. Auf den Stufen des Tempels standen gleich drei Priester und ein Adept des Gottes und unterhielten sich, während ein Akolyth mit einem Besen die Stufen kehrte und ein anderer am Fuß der Treppen den Armen Wasser und Brot und einen Segen anbot. Wasser und Brot war kein reiches Mahl, aber es war genug zum Leben. Es hatte Zeiten gegeben, in denen ich für einen frischen Laib Brot vielleicht sogar gemordet hätte.
Soltar war der Gott des Lichts, der auch die Nacht unter seine Herrschaft gebracht hatte. Sein Versprechen an die Menschen war, dass es nach der größten Dunkelheit immer einen hellen Tag geben und auch nach der größten Verzweiflung immer Hoffnung folgen würde.
Wie viel war dran an diesen Geschichten über die Götter?
Es hatte einst, das wusste ich von Zokora, tatsächlich einen Gott der Dunkelheit gegeben, Omagor. Noch bevor es Menschen gab, wurde er von den Göttern des Lichts besiegt. Astarte, die bei den Menschen für Vergebung, Liebe und Harmonie stand, war an diesem Kampf beteiligt gewesen und hatte den dunklen Elfen, die ihr folgten, als Belohnung für den Kampf einen Teil von sich gegeben, der hart und grausam auf mich wirkte und doch gerechter war als die Dunkelheit zuvor.
In Bessarein hatte Serafine mir eine Stele gezeigt, auf der ein Lichtgott verehrt worden war, als dieser noch ausschließlich über den Tag geherrscht hatte. Bevor der Gott den Menschen Feuer und Licht gebracht hatte, war die Nacht eine Zeit des Schreckens und der Furcht gewesen, in der man seine Seele verloren glaubte, wenn man in der Dunkelheit verstarb.
Ich stand vor diesen Treppen und dachte über das nach, was der Göttervater selbst den Menschen angeblich gegeben hatte – die Hoffnung als stärkste Kraft, die alles überwinden könnte.
Wieso eigentlich wurde Soltar als der Gott des Todes verehrt? Müsste er nicht noch immer der Gott der Hoffnung und des Lichts sein? Vielleicht sollte ich fragen.
»Möchtest du nicht den nächsten Schritt tun?«, fragte Serafine mit leiser Erheiterung. »Nur den Fuß anheben, und du stehst schon auf der Treppe, der Rest wird folgen.«
»Nichts anderes habe ich vor«, behauptete ich und tat diesen ersten Schritt.
Kein Blitz fuhr hernieder, und auch die Tempelglocken begannen nicht zu schlagen, nur der Tempelschüler mit dem Besen eilte herbei, um uns noch auf der Treppe aufzuhalten.
»Die Gnade der Götter und der Segen Soltars mit Euch«, verkündete er atemlos, als er sich uns in den Weg stellte, und hielt seinen Besen, als ob er nicht wusste, wohin damit. Der Mann war so zierlich, dass ich ihn mit einer Hand hätte wegtragen können, doch die Art, wie er sich vor mir aufbaute, teilte mir mit, dass man ihn nicht würde verrücken können. »Das ist vorerst alles, was Ihr erhalten werdet«, teilte er uns mit und bedachte besonders mich mit einem ungehaltenen Blick. »Ein wenig mehr der Ehre könnt Ihr unserem Gott erweisen, mit frisch vergossenem Blut und voller Dreck geziemt es sich nicht, vor unseren Herrn zu treten.«
»Wir wurden überfallen, Akolyth des Soltar«, meinte Serafine freundlich. »Meint Ihr wirklich, der Gott wollte nicht, dass man so vor ihn tritt? Sieht er uns nicht in allen Lagen?«
»So ist es, Sera«, nickte der junge Mann. »Aber dieser Tempel ist sein Haus auf Erden, und es gehört in seinem Namen geehrt.«
»Wir können wieder gehen«, schlug ich vor, was mir einen funkelnden Blick Serafines einbrachte.
»So ist es nicht gemeint«, beeilte sich der junge Priester zu sagen. »Ich wollte Euch nicht den Weg zu unserem Herrn versperren, ich wollte nur nicht, dass Ihr ihn so beschreitet!« Er wies mit seinem Besen zur Seite hin, wo eine hohe Mauer die Tempelgärten umschloss. »Folgt mir einfach, ich bitte Euch!«
Er führte uns durch die
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