Der Kronrat (German Edition)
vermute, dass Seelenreißer seine Grenzen hat, ein solcher Treffer oder eine Enthauptung … ich glaube nicht, dass ich es überstehen könnte. Es ist nicht so, dass ich nicht sterben kann . Als ich in den Gazar fiel, war es so weit, ich wusste , dass es vorbei war. Und ohne Nataliya …« Ich berührte Seelenreißer, der mir zufriedener schien als sonst. »Er heilt mich, wenn ich nach einer erhaltenen Wunde ein Leben nehme. Aber auch nur dann.«
»Dennoch, auf der Schneevogel hast du dich auch ohne ihn geheilt.«
»Ja. Ich verstehe es nicht, bin dennoch dankbar dafür.« Ich fuhr mir über die stoppeligen Haare, der Schiffsarzt hatte mir den Kopf rasiert, um meinen gesprungenen Schädel zu richten, und noch waren mir die Haare nicht wieder nachgewachsen.
»Nur war dies auch keine schnelle Heilung. Seelenreißer heilt manchmal schneller, als mir Wunden zugefügt werden … auf dem Schiff war es anders.«
Sie sah hoch zu mir und war sehr ernst.
»Es gibt vieles an dir, Havald, das sehr seltsam ist«, stellte sie dann fest. »Manchmal bist du mir unheimlich, manchmal kann man Angst vor dir bekommen. Und doch gibt es niemanden auf dieser Welt, dem ich mehr vertraue als dir.« Sie lächelte etwas schief. »Ich mache mir Sorgen um dich, Havald.«
Ich sah sie an und wusste nicht, was ich sagen sollte. Niemand machte sich Sorgen um mich. Nicht mehr. Es war lange her, die Letzte, die sich um mich sorgte, war meine kleine Schwester gewesen … und Nataliya.
»Besser nicht«, teilte ich Serafine kühl mit. »Sich um mich Sorgen zu machen, führt zu einem frühen Tod.«
Diesmal schenkte sie mir ein volles Lächeln. »Ich bin älter als du, Havald, und ich kenne dich besser, als du dich selbst. Und du solltest aus tausend Gründen wissen, dass es nichts nützt, mir zu sagen, was ich tun sollte oder nicht, ich treffe meine eigenen Entscheidungen.« Sie lachte leise. »Meine Entscheidung habe ich schon vor langer Zeit getroffen, und die Götter sind meine Zeugen. Ich habe ein Recht darauf, in Sorge um dich zu sein.« Sie griff hoch zu mir und fuhr mir sanft über meine stoppelige Wange. Seit Gasalabad schien mein Bart mehr als eine Rasur am Tag zu brauchen. »Es ist so ziemlich das Einzige, das du mir nicht verbieten kannst.«
Der Leutnant trat an uns heran und räusperte sich.
»Der Inquisitor ist da und wünscht Euch zu sprechen.« Er wies mit seinem Blick auf einen hochgewachsenen Mann, der sich gerade über einen der toten Angreifer beugte.
Hochinquisitor Pertok war ein hagerer Mann und groß gewachsen, kaum kleiner als ich es war. Er trug eine dunkle Robe im gleichen Schnitt wie die der Eulen, nur war diese schwarz und mit Silber verziert, an seiner Hüfte hing ein schlankes Schwert, so wie es auch Desina trug. Mittlerweile war die Nacht hereingebrochen und unter dem Schatten seiner Kapuze sah ich kaum mehr als dunkle Augen, in denen sich der Fackelschein spiegelte, eine scharfe Nase und einen schmalen Mund, der nicht oft zu lächeln schien. Was mich überraschte, war das hohe Alter des Mannes; obwohl er mir noch rüstig schien, schätzte ich ihn auf über achtzig Jahre, eine wahrlich gesegnete Zeitspanne, wenn man nicht von einem verfluchten Schwert jung gehalten wurde.
»Lanzengeneral von Thurgau«, stellte er fest. »Helis, aus dem Haus des Adlers. Ich habe von Euch gehört. Ich bin Hochinquisitor Pertok, oberster Ankläger und Richter Askirs.« Er musterte uns sorgfältig. »Wir hätten uns noch kennengelernt, auf meinem Tisch ruht eine Anklage des Handelsrats, in der man Euch den Untergang der Feuerinseln, das Beben und die Flut zur Last legt. Und ein Dutzend anderer Vergehen, die daraus folgen.« Die Stimme des Mannes drückte alles aus, was er war, eine absolute Sicherheit lag in seinem Ton, er wusste um sich, seine Fähigkeiten und seine Macht, und alleine dieser eine Satz teilte uns dies alles mit. Die Art, wie er stand, der Tonfall, der gerade Blick … all dies forderte Respekt ein.
»Wir waren es nicht. Auch der Kommandant scheint sich dessen sicher«, protestierte ich.
»Es wird dennoch zu einer Verhandlung kommen«, teilte mir der Inquisitor mit. »Die Fürsprache des Kommandanten half nur zu begründen, warum ich Euch nicht in Haft nehmen ließ. Das Gesetz des Kaisers lässt Gnade, aber keine Ausnahmen zu.« Die Warnung war deutlich, dieser Mann interessierte sich nicht dafür, ob ich einen kaiserlichen Ring am Finger trug. »Teilt mir in Euren eigenen Worten mit, was hier geschah, und was
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