Der Kruzifix-Killer
noch, suchte nach einer Spur von Furcht oder vielleicht Selbstzweifeln, doch seine jahrelange Erfahrung und Menschenkenntnis sagten ihm, dass dieser Junge hier keinen Schiss hatte, jedenfalls noch nicht.
»Na gut, das wär’s. Dann stelle ich Sie jetzt Ihrem neuen Partner vor«, sagte er. Er ging zur Tür seines Büros und zog sie auf. »Hunter … kommen Sie mal her«, rief er hinaus. Seine Stimme hallte auf der geschäftigen Etage wider.
Hunter war gerade eben angekommen, saß an seinem Schreibtisch und rührte seinen starken schwarzen Kaffee um. Infolge seines Schlafmangels dröhnte die Stimme des Captains wie eine Heavy-Metal-Band in seinem Kopf. Er nahm in aller Ruhe einen Schluck von dem bitteren Getränk und verbrannte sich die Lippen und die Zunge daran. In den letzten paar Monaten hatte seine Schlaflosigkeit, genährt von den ständigen Alpträumen, immer schlimmere Ausmaße angenommen. Wenn er Glück hatte, schlief er zwei, drei Stunden pro Nacht. Seine Tage verliefen inzwischen in einer Art dumpfer Monotonie – üble Kopfschmerzen, kochend heißer, starker Kaffee, einmal den Mund verbrannt und dann weiter mit dem Stapel zweitrangiger Fälle auf seinem Schreibtisch.
Hunter klopfte nicht an, sondern kam einfach zur Tür herein. Garcia stand neben dem Rosenholzschreibtisch.
»Hallo! O nein, Captain, da sind Sie bei mir falsch, mit der Internen habe ich nichts zu tun«, sagte Hunter sofort und biss sich auf die lose Haut an seiner verbrühten Oberlippe.
Garcia blickte erneut an seinem Anzug hinunter.
»Setzen Sie sich, Hunter, er ist nicht von der Internen«, entgegnete Captain Bolter und schwieg einen Augenblick, um die Spannung zu steigern. »Darf ich vorstellen, Ihr neuer Partner.«
Zunächst schien es, als kämen die Worte gar nicht bei Hunter an. Garcia ging zwei Schritte auf ihn zu und streckte ihm die Hand hin. »Carlos Garcia. Freut mich sehr, Sie kennenzulernen, Detective Hunter.«
Hunter ließ Garcias Hand einfach in der Luft hängen. Er zeigte keine Regung, nur seine Augen bewegten sich. Garcia spürte förmlich, wie Hunter ihn musterte, ihn einzuschätzen versuchte. Es dauerte zwanzig Sekunden, dann schien Hunter sich ein Bild von seinem neuen Partner gemacht zu haben.
»Nein danke, Captain. Ich komme ganz gut allein zurecht.«
»Einen Teufel tun Sie, Hunter«, erwiderte der Captain ruhig. »Seit Wilsons Tod machen Sie doch nichts mehr außer Bürokram und dem LAPD bei Ladendiebstählen und kleinen Einbrüchen zu helfen. Heilige Scheiße! Außerdem wussten Sie, dass es so kommen würde. Oder was glauben Sie, wer Sie sind? Dirty Harry? Hören Sie, Hunter, ich erspare Ihnen die blödsinnige Ansprache von wegen, was für ein toller Detective Sie sind und wie Sie Ihr Talent vergeuden. Sie sind der beste Detective, den ich je in meiner Abteilung hatte. Sie reimen sich Sachen zusammen, auf die niemand sonst kommt … nennen Sie es, wie Sie wollen, jedenfalls haben Sie es drauf wie kein anderer. Ich brauche Sie wieder hier im Morddezernat, und zwar hellwach und bei klarem Verstand. Sie wissen sehr wohl, dass ich einen Detective in einem Mordfall nicht allein auf die Straße schicken kann, das verstößt gegen die Regeln. In Ihrem momentanen Zustand sind Sie nutzlos für mich.«
»Ach, und wie kommen Sie darauf?«, schoss Hunter in halb beleidigtem Ton zurück.
»Werfen Sie mal einen Blick in den Spiegel.«
»Und jetzt geben Sie mir so einen Grünschnabel als Partner?« Er wandte sich an Garcia. »Sorry, ist nicht persönlich gemeint.«
»Schon klar.«
»Wir waren alle mal Grünschnäbel, Hunter«, entgegnete der Captain und strich sich mit den Fingern verschmitzt über den Schnauzbart. »Sie hören sich haargenau an wie Scott, als ich ihm damals eröffnet habe, dass er einen neuen Partner bekommt. Er konnte Sie am Anfang nicht ausstehen, wissen Sie noch? Sie waren jung und unerfahren … und jetzt sehen Sie mal, was aus Ihnen geworden ist.«
Garcia biss sich auf die Lippe, um sich ein Lachen zu verkneifen.
Hunter musterte ihn erneut. »Oh, Sie finden das also amüsant?«
Garcia neigte den Kopf ein wenig zur Seite und zuckte leicht mit den Achseln, als wollte er sagen, vielleicht .
»Erzählen Sie mir mal, was für Erfahrung Sie in dem Job haben«, forderte Hunter ihn auf.
»Ich war zwei Jahre lang Detective beim LAPD«, antwortete Garcia frischfröhlich.
»Oho, ein Eigengewächs.«
Garcia nickte.
»Warum sind Sie so nervös?«
»Wie kommen Sie darauf, dass ich nervös bin?«,
Weitere Kostenlose Bücher