Der Kugelfaenger
erstarrt. Vor der Tür kniet eine Frau auf dem Boden und sammelt den Inhalt ihrer Handtasche wieder ein, der ihr allem Anschein nach gerade eben herausgefallen ist.
Tom kann die Frau nicht besonders gut erkennen – sie hat ihm den Rücken zugewandt und ihren Kopf in die Tasche gesteckt.
Oh scheiße. Wenn das jetzt Isabelle ist, dann bin ich im Arsch. Ich habe ihr Geld noch nicht.
Tom überlegt fieberhaft.
Sie weiß, dass ich zu Hause bin. Gut, dann auf in den Kampf.
Er wirft noch einmal einen Blick durch den Türspion, sieht dass die Frau noch immer mit ihrer Tasche beschäftigt ist und stürmt eilends ins Badezimmer. Dort greift er sofort nach dem erstbesten Deo und sprüht sich damit von Kopf bis Fuß ein, beginnt wegen dem Sprühnebel zu Husten und hüpft zurück zur Tür. Dort reißt er, ohne erneut durch den Spion zu sehen, sofort die Tür auf. Überrascht bleibt er wie angewurzelt stehen. Bei der Frau, die da vor ihm steht, handelt es sich um keine andere als …
„Evelyn? Was …“ Tom bleibt stecken. Es hat ihm die Sprache verschlagen.
Evelyn lächelt. „Hi, Tom. Schön dich zu sehen.“
Dieser findet seine Sprache langsam wieder. „Evelyn … hi. Was für eine Überraschung!“ Er fährt sich erstaunt durch die Haare und betrachtet sie. Sie sieht fantastisch aus. Ihre dunklen Locken sind wild durcheinander. Sie trägt: a) flache Stiefel (Irgendwann mal von Vicky geliehen. Vergessen, sie ihr zurückzugeben. Vicky hat sich noch nicht nach ihnen erkundigt.) b) eine dunkle Jeans (Von dem Modelabel, für das sie letzte Woche vor der Kamera gestanden hat.) c) kein schwarzes Schlabbershirt, sondern einen sexy, gelben Pullover (???)
d) einen schwarzen Trenchcoat (Selbst gekauft!!!).
Tom kann sein Glück kaum fassen. „Was führt dich denn hierher?“
Evelyn lächelt immer noch. „Nun ja, ich wollte am Montag hier bei der
New York Fashion Week
laufen und habe mir gedacht, wenn ich schon mal da bin, könnte ich dir doch einen Besuch abstatten.“
Tom fasst sich mit einer Hand an die Stirn. „Welchen Monat haben wir?“
„September“, sagt Evelyn.
„September“, wiederholt Tom langsam. „Mist, das habe ich völlig vergessen.“
Evelyn lacht. Tom lacht auch. Dann sagt er eifrig: „Willst du reinkommen? Meine Wohnung ähnelt zwar im Moment eher einem Schlachtfeld, aber ich denke, ich könnte auf der Couch ein Plätzchen für dich frei räumen.“
„Danke, aber ich habe nicht so viel Zeit. Lin wartet unten auf mich.“
„Lin?“
„Ja, stell dir vor, ich habe deinen Rat befolgt. Sie ist meine Leibwächterin. Eine nette Frau – siebenundzwanzig, zuverlässig, Chinesin. Lebt erst seit kurzem in England.“
„Du erstaunst mich immer wieder“, sagt Tom. „Kommst du denn mit ihr gut zurecht?“
Evelyn lächelt. „Ja, einwandfrei. Sie widerspricht mir nicht so oft wie du.“
Sie schweigen eine Zeit lang und sehen sich nur an. Evelyn unterbricht die angenehme Stille. „Hast du deinen Freund und deinen Stiefbruder schon gefunden?“
Tom blickt vorsichtig um sich und sagt mit gedämpfter Stimme: „Nein. Ehrlich gesagt, ich habe noch gar nicht angefangen, sie zu suchen. Ich vermute, dass beide auf irgendeiner Insel sitzen und sich die Sonne auf ihre ausgedörrten Gehirne brennen lassen.“
Evelyn redet nun auch leiser. „Sucht sie das FBI immer noch?“
Tom grinst. „Ja“, sagt er. „Neuerdings auch noch Interpol. Und ich bin mir sicher, dass sie noch immer krumme Dinger drehen. Sie können es einfach nicht lassen.“ Dann wechselt er das Thema. „Aber jetzt zu dir: Sag, wie geht’s dir, Evelyn?“
Sie lächelt leise und legt ihren Kopf schief. „Ach, mir geht’s ganz gut. Tilda hat mir einen Haufen Jobs besorgt und so bin ich ständig unterwegs. Aber das macht nichts. Anders könnte ich meine Tante nicht ertragen.“
„Ich habe deine Fotos in der
Vogue
gesehen“, sagt Tom.
„Wirklich? Ah, Catherine wäre fast
durchgedreht
, als sie die gesehen hat. Da habe ich ihr lieber nicht gesagt, dass Tilda auch einen Deal mit dem
Playboy
ausgehandelt hat.“ Sie lacht grimmig. „Ich habe Tilda diesen verdammten Deal so lange um die Ohren gehauen, bis sie sich schließlich ergeben hat und beim
Playboy
wieder abgesagt hat.“
Tom lacht und hält dann inne und betrachtet sie. „Ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr ich mich freue, dich zu sehen. Ich bin überwältigt“, sagt er leise.
„Ich freue mich auch“, sagt Evelyn und lächelt ihn an.
Er betrachtet ihr Gesicht und
Weitere Kostenlose Bücher