Der Kult - Cordy, M: Kult - The Colour of Blood
dankbar für die Ablenkung, die seine Arbeit ihm bieten würde. Vorher aber wollte er im Park des Krankenhauses noch eine Runde joggen gehen, um wach zu werden. Auf dem Gang traf er die Oberschwester.
» Alles in Ordnung, Dr. Fox?« Unwillkürlich streckte sie eine trostspendende Hand nach ihm aus, doch ebenso unwillkürlich verlagerte er sein Gewicht und wich ihrer Berührung mit einer kaum merklichen Bewegung aus. » Kann ich Ihnen irgendetwas bringen?«
Er lächelte. » Danke, Kate. Könnten Sie sich bitte um Samantha kümmern, wenn sie wach wird? Ich komme später noch mal rein, um nach den beiden zu sehen, aber geben Sie mir Bescheid, sobald sein Zustand sich ändert.«
Gut zwei Stunden später – nach einer Joggingrunde durch den Park, einer heißen Dusche und einem Milchkaffee mit zwei Stückchen Zucker in der Krankenhauskantine – saß Fox mit seinem ersten Patienten an diesem Morgen in seinem kleinen Büro in der Abteilung für Psychiatrie und Neurologie. Ihm gefiel die Abwechslung, die seine Arbeit ihm bot. Obwohl er seine ambulanten Patienten hier im Hauptgebäude betreute, verbrachte er den größten Teil seiner Zeit in » Tranquil Waters«, der speziellen stationären psychiatrischen Klinik des Krankenhauses. Daneben fand er sogar noch Zeit für seine Arbeit als Gerichtsmediziner. Sein Patient an diesem Vormittag hatte an Fox’ neuster Studie teilgenommen, und schon seine ersten Worte hoben die Stimmung des Arztes.
» Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr die Therapie mir geholfen hat, Doktor. Sie haben mir mein Leben zurückgegeben.«
» Das freut mich, John. Das freut mich wirklich sehr.« In Gedanken verglich Fox den freudestrahlenden jungen Mann, der ihm an seinem Schreibtisch gegenübersaß, mit dem verzweifelten, gehetzt wirkenden Patienten, dem er vor sechs Monaten zum ersten Mal begegnet war. Damals war John Fontana von einer Zwangsstörung tyrannisiert worden, ausgelöst durch die jahrelange Mitgliedschaft in einer religiösen Sekte. Fox war stolz auf seine professionelle Objektivität, aber er hasste Sekten und Kulte und all die Schäden, die sie anrichteten. Johns Zwangsstörung manifestierte sich weniger in handfesten Handlungen, sondern vielmehr in destruktiven Gedanken (er war davon überzeugt, vom Teufel besessen zu sein), was sich nur schwerlich durch eine Verhaltenstherapie in den Griff bekommen ließ. Sein Zustand hatte John in den letzten fünf Jahren weder arbeiten noch schlafen lassen, auch hatte er keinerlei Sozialleben – oder überhaupt irgendeine nennenswerte Art von Leben – führen können. Schließlich, nachdem alle anderen therapeutischen Ansätze versagt hatten, war John in Fox’ experimentelle Studie aufgenommen worden. Der Arzt überflog Johns Krankenakte und stellte ihm ein paar gezielte Fragen: » Wie würden Sie Ihren aktuellen Angstlevel einstufen, John?«
» Im Großen und Ganzen würde ich sagen, er hat sich halbiert, von zehn auf fünf. Manchmal gibt es tatsächlich Momente, in denen ich meine Zwangsstörung ganz vergesse. Ich arbeite sogar wieder in meinem alten Job.«
» Sie arbeiten wieder. Das ist großartig. Wie ist es mit dem Schlafen? Nehmen Sie noch Valium oder Chlorpromazin?«
» Nein, ich schlafe gut. Ich nehm nur noch die Prozac und das Risperidon, das Sie mir verschrieben haben.«
» Irgendwelche Nebenwirkungen?«
» Immer noch das trockene Gefühl im Mund, von dem ich Ihnen letztes Mal schon erzählt habe. Und ich hab ein bisschen zugelegt, aber damit kann ich leben: dick und glücklich.«
Fox lächelte und notierte sich die Fortschritte seines Patienten. » Gehen Sie noch zu den ACT -Sitzungen?«
» Hab noch keine einzige verpasst. Die helfen wirklich, mich von dem, was in meinem Kopf abgeht, zu distanzieren.«
» Ausgezeichnet.« Fox warf noch einen letzten prüfenden Blick in die Krankenakte und klappte sie dann zu. Von den dreißig Patienten, die an seiner Studie teilnahmen, hatten achtundzwanzig deutliche Fortschritte gemacht. » Wenn das so ist, John, freue ich mich darauf, Sie in einem Jahr wiederzusehen, um zu schauen, wie es Ihnen geht. Nehmen Sie bitte weiterhin die Tabletten und gehen Sie zu den Sitzungen.« Er erhob sich. » Alles Gute, John.«
» Sie haben mir das Leben gerettet, Dr. Fox.« John machte Anstalten ihn zu umarmen, doch Fox ergriff die Hand seines Patienten und schüttelte sie. » Ich kann Ihnen gar nicht genug danken.«
» Glauben Sie mir, wenn ich sehe, wie gut es Ihnen geht, ist das mehr als genug.«
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