Der Kulturinfarkt
die fruchtbare Konkurrenz beschädigt? Jenseits dieser Kardinalfrage kursieren überzogene Erwartungen daran, was die Kulturwirtschaft leisten kann. Dies geht bis zu der Hoffnung, dass mit wirtschaftlichen Erfolgen in der Kulturwirtschaft die strukturellen Wachstumsprobleme der europäischen Volkswirtschaften insgesamt gelöst werden könnten. Solche Positionen sind sachlich nicht nachvollziehbar. Der Umgang der Wirtschaftsförderung und der Kulturpolitik mit der Kultur- und Kreativwirtschaft muss Augenmaß behalten, sonst folgt die Kulturwirtschaft der Kultur in die Infarktgefährdung. Trotzdem: Es ist hilfreich, dass eine breite öffentliche Diskussion stattgefunden hat, die Kulturwirtschaft als ein Branchenfeld ins Bewusstsein der Wirtschaftsförderung gehoben hat. Es kommt nun darauf an, diesen Branchen einen normalen Zugang zu Gründungs-, Existenzsicherungs- und anderen Formen der Wirtschaftsförderung zu erlauben.
Spezifisch für nicht wenige kulturwirtschaftliche Branchen ist, dass Risiken sich hier anders darstellen als anderswo. Zu den Unwägbarkeiten in jedem Geschäft auf offenen Märkten kommt in der Kulturwirtschaft oft noch ein Risiko über das Gelingen eines künstlerischen Kerns im Vorhaben. Es gibt so auch künstlerische Gründe, dass in Projekten eingesetztes Kapital und Arbeit untergehen. Deshalb haben es kulturwirtschaftliche Vorhaben schwer, auf dem Kapitalmarkt Kredite zu bekommen. Ein weiterer Grund, dies sei angemerkt, ist, dass Kreditinstitute mit der kulturwirtschaftlichen Klientel nur schwer umgehen können. Um dieses branchenspezifische Risiko zu balancieren, könnte der Staat einen Fonds auflegen, der zu marktüblichen Bedingungen für künstlerische und kulturwirtschaftliche Projekte offen steht. Gegen das spezifisch künstlerische Ausfallrisiko kann es eine staatliche Garantie geben.
Branchenförderung in der Kulturwirtschaft müsste sich aus Gründen der Transparenz auf wenige Maßnahmen beschränken. Es kann eine Gründungshilfe sinnvoll sein, einige Kulturparks – Cluster von Jungfirmen, die sich ausprobieren können und in die Selbstständigkeit geführt werden – braucht es als Vorbilder. Zum Beispiel nationale Wettbewerbe für Jungdesigner und für andere kulturwirtschaftliche Branchen oder eine Unterstützung von Prototyping. Beratung sollte so zur Verfügung stehen, wie dies für andere Existenzgründer und Betriebe auch gilt. Das wäre genug – und schon eine ganze Menge.
Öffentlich-rechtlicher Rundfunk: Debatte um die gewünschte Qualität
Öffentlich-rechtlicher Rundfunk ist ein eigenes Thema, das in diesem Buch nur in wenigen Bemerkungen aufgegriffen wurde. Er ist eine Welt für sich. In Deutschland beanspruchen die Rundfunkanstalten noch einmal annähernd genauso viel Geld wie die gesamte Kulturförderung. Derzeit sind es rund 7,5 Milliarden Euro. Es sind dies nur keine Steuergelder, sondern Gebühren, die durch eine eigene Behörde eingetrieben werden. Für den Nutzer macht das keinen Unterschied. Die Art der Gebührenerhebung mag sein, wie sie ist: Staatskultur ist dies allemal. Ab 2013 sollen die Gebühren analog einer Steuer, aber immer noch durch eine eigene Behörde, nicht mehr von den Nutzern, sondern von allen Haushalten und Betrieben eingezogen werden. Das macht die Rundfunkgebühren dann zu einer Kopfsteuer.
Das Programm auf inzwischen knapp 20 öffentlich-rechtlichen Fernsehkanälen in Deutschland unterscheidet sich vom privaten Fernsehangebot nur noch geringfügig. Ärgerlich ist, dass die Rundfunkanstalten auch journalistische Angebote im Internet zu besetzen suchen. Sie konkurrieren damit mit den Printmedien, ein typischer Fall von Konkurrenz zwischen meritorisch geförderten und nicht geförderten Institutionen, mit der Gefahr, dass es zu Verdrängung kommt. Ähnliches gilt natürlich auch für die Fernseh- und Rundfunkprogramme. Angesichts der Senderfülle ist der Raum für private Programme begrenzt. Wobei immer noch gilt, dass die Privaten manche Formate besser oder wenigstens gleich gut können wie das öffentliche Fernsehen, die öffentlichen sich aber in einer Konkurrenz um Quoten sehen. Hier gilt plötzlich nicht mehr das Argument von der Qualität und der Erziehungsverantwortung, sondern allein das Eigengewicht der halb öffentlichen Institution: The show must go on. Bei den Radiokanälen ist die Spreizung zwischen einigen öffentlich-rechtlichen und dem privaten Rundfunk ein wenig weiter, aber auch das gilt nicht für alle Kanäle, die
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