Der Kulturinfarkt
ermöglichen vielen kleinen Buchhandlungen das Überleben. Die Nähe zu den Kunden, so das wichtigste Argument, ist ein kulturförderndes Faktum. Beratung kann nur der Buchhändler leisten. Die Preisbindung hat allerdings auch gravierende Nachteile. Am meisten verdienen nämlich die Buchketten, die größere Rabatte beim Einkauf durchsetzen und die Kleinen bedrängen. Die Preise der Bücher bleiben durch die Preisbindung hoch, dafür wurde das Kartell geschaffen. Allerdings sind hohe Preise unter dem Titel der Zugänglichkeit von Literatur kein kulturpolitisch erwünschter Effekt. Kulturpolitisch erwünscht ist, dass die Menschen viel lesen. Besser, sie lesen Harry Potter für fünf Euro aus dem Supermarkt, als dass sie überhaupt nicht lesen.
Die Buchpreisbindung spiegelt auf beispielhafte Weise den bewahrenden Aspekt gegenwärtiger Kulturpolitik: Sie impliziert, dass Schreiben, Verkaufen und Lesen sich noch immer in einem isolierten Biotop abspielen wie vor 30 Jahren. Sie übersieht geflissentlich, dass dem Buch extreme Konkurrenz erwachsen ist, die Lesegewohnheiten sich verändert haben und die individuellen Lektürevolumen rückläufig sind. Schwer vorzustellen, dass die kleinen Buchhandlungen künftig noch jenen Beratungsservice bieten können, auf den sie so stolz sind. Das Angebot ist einfach zu groß. Und am meisten verkaufen sie ohnehin Ratgeber zu Ayurveda für Katzen und zu Bio-Gartenbau. Ob das des Schutzes bedarf? Umgekehrt bietet auch das Internet Rat. Für das E-Book braucht es Online-Buchhandlungen, die mit den gewohnten nichts gemein haben. So oder so wandert der Buchhandel zu einem wachsenden Teil ins Internet. Nichts spricht dagegen; die Online-Buchhandlung reicht in die entlegensten Gebiete, die Post liefert gern die Pakete aus. Warum im Internet eine Preisbindung gelten soll, wie der Börsenverein es für das E-Book durchgesetzt hat, bleibt schleierhaft. Das Argument einer kostspieligen physischen Distribution gilt hier nicht mehr. Hier bezahlen die Kunden ihre eigene Infrastruktur, während die Grenzkosten für die Anbieter bei null liegen.
Insgesamt gesehen, verlangsamt die Buchpreisbindung den Wandel. Groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Struktur hinter der Wirklichkeit zurückbleibt und der erwünschte Effekt damit in sein Gegenteil umschlägt.
Design und Games: Förderung von Innovation
Felder wie Objekt-, Grafik- und Prozessdesign sind klassische Anwendungsfälle kulturwirtschaftlicher Konzepte. Initiale Förderung kann sinnvoll sein, gerade weil hier die Übergangszone von ästhetischen Prozessen in ökonomische deutlich zutage tritt und die sonst nutzenbefreite Kunst hier ihren Tribut leisten kann. Hervorragendes Design ist ein kompetitiver Vorteil. Die Schweiz hat das bereits in der großen Depression nach dem Ersten Weltkrieg realisiert und eine systematische Designförderung begonnen, dies mit beachtlichen Ergebnissen vor allem im Möbel- wie im Schrift- und Buchdesign.
Allerdings darf die Förderung des Designsektors nicht weiter gehen als die Förderung in anderen Branchen, und sie muss berücksichtigen, dass der Sektor privatwirtschaftlich organisiert ist. Zudem richtet sich die Aufmerksamkeit in dieser Branche immer nur auf das, was statistisch sichtbar ist: Sehr viel Design findet innerhalb von Firmen statt, die statistisch woanders gezählt werden. Hier funktioniert Design kommerziell. Sichtbarkeit stellt sich heute schon über Preise her. Dotierung ist weniger wichtig als Prestige.
Etwas anders sieht die Lage bei den Computerspielen aus. Anders als Objektdesign ist Gamedesign keine angewandte Kunst: Das Game ist sein eigenes Ziel und bietet eine eigene Qualität von (ästhetischer interaktiver) Erfahrung. Österreich hat das Computerspiel längst als pädagogisch wertvoll anerkannt, die »Anno«-Reihe des österreichischen Teams Max Design ist bis heute das meistverkaufte PC -Spiel im deutschsprachigen Raum, und Rockstar Vienna hat als einziges deutschsprachiges Entwicklerstudio zwei Nummer-1-Hits in den USA geschafft. Möglich, dass es Glück hatte, wahrscheinlich, dass ein dem neuen Medium positiv gesinntes Klima dabei half. Eine ökonomisch oder kulturell motivierte direkte Spieleförderung gibt es in Österreich allerdings nicht.
In der Schweiz haben sich, eine Nebenfolge des GameCulture-Programms von Pro Helvetia, rund 400 Gamedesigner organisiert, um sich politisch Gehör zu verschaffen. Die Voraussetzungen für den Aufbau einer produktiven Gameszene wären
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