Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Kunstreiter

Titel: Der Kunstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Gerstäcker
Vom Netzwerk:
kreischendem Gelächter gezwungen hatte, daß nämlich alle seine Glieder wie locker am Leibe hingen und hin und her flogen. – Dann einen scheuen Blick über die Schulter werfend, ob die Luft noch rein sei, rieb er sich vergnügt die Hände und lachte still vor sich hin, während er den Gang hinabtrollte.
    »Das ist noch gut gegangen – Teufel auch! heute glaubt' ich, kriegt' ich's dick. Er sieht aber auch alles, der Kujon – na warte, du sollst mich nicht wieder erwischen, mein Schatz, denn fort möcht' ich mich doch auch nicht aus dem bequemen Platz hier jagen lassen.«
    Georg ging in das Zimmer seiner Frau und fand diese mit geröteten Wangen und raschen Schritten, die Arme fest verschränkt, auf und ab gehen. Bei seinem Eintritt blieb sie stehen und sah ihren Gatten finster an.
    »Was hast du?« sagte dieser ruhig, die Bewegung der Frau konnte ihm nicht entgehen.
    »Was ich habe, Georg,« rief Georgine, die diesen Augenblick ersehnt hatte, indem sie nach dem Herzen griff, »einen Schmerz hier, einen bittern, nagenden Schmerz, der mir nicht Rast noch Ruhe läßt.«
    »Das alte Leiden?« sagte Georg düster, indem er seinen Hut auf den Tisch warf.
    »Ja und nein,« lautete die Antwort, »du selber hast es heute heraufgezwungen!«
    »Ich? – wieso?«
    »Daß du den Knaben gemißhandelt, weil er in fröhlicher Jugendlaune einen Augenblick vergaß, welch freie schöne Kunst er einst ausgeübt hatte und jetzt nicht mehr ausüben sollte. Glaubst du nicht, daß wir den Zwang doppelt fühlen, wenn er auf so rohe Weise in Kraft gehalten wird? Glaubst du nicht, daß der Stab, der sich bis jetzt nur gebogen, wenn er zu straff angespannt wird, auch brechen könnte?«
    »Wenn er das Biegen nicht vertragen kann, mag er brechen,« erwiderte mit tiefer, fester Stimme der Mann.
    »Georg!«
    »Höre mich,« fuhr ihr Gatte fort, »denn ich zweifle sehr, daß du den ganzen Umfang des heutigen Vergehens weißt. Karl hat nicht allein gefehlt, das hätte ich vielleicht verziehen, da er sich bis jetzt gut gehalten, aber dein Vater selber, wahrscheinlich wieder vom starken Trunke erregt, vergaß sich so weit, daß er mitten im Dorfe, von der ganzen Schule umgeben, seine alten Künste ausübte und sich in derLuft überschlug. Den Jubel, den das von dem alten, bisher so gesetzten Manne erregte, kannst du dir denken. Ich kam zum Glück zufälligerweise dazu und verhinderte weiteren Unfug. Soll ich mein Ansehen, mein ganzes künftiges Lebensglück, wie das meines Kindes, auf solche ekelhafte Art gefährdet und untergraben sehen? Georgine, du weißt, wie lieb ich dich und euch alle habe, aber du kennst mich auch; du weißt, daß ich Begonnenes auch durchführe, daß, wo ich einmal meinen Willen eingesetzt, ich auch die Kraft besitze, da zu handeln; deshalb warne deine Angehörigen. Noch ein solches Vergehen, und die Bande, die mich bis jetzt an sie fesseln, sind unerbittlich, unwiderruflich gelöst.«
    »Meine Angehörigen? und sind es nicht die deinen auch?« fragte Georgine scharf.
    »Sie sollen es bleiben, solange sie meinen Anordnungen folgen – nicht einen Augenblick länger.«
    »Anordnungen? – sage lieber Befehlen.«
    »So nenne es denn Befehle, wenn du willst.«
    »Ich weiß es wohl,« zürnte die Frau, »du hast kein Herz für uns. So lange wir dir Nutzen brachten, waren wir dir gut, doch jetzt, wo ...«
    »Halt ein, Georgine,« unterbrach sie ernst der Mann, »das ist ein harter, böser Vorwurf, der nicht aus deinem Herzen kam. Du bist aber jetzt, wenn auch völlig grundlos, gereizt, und wir wollen nicht weiter darüber rechten. Ich habe deinen Vater freundlich ermahnt, an uns sowohl, wie an sich selbst zu denken; ich hoffe, das wird für ihn genügen. Karl hat gleich an Ort und Stelle seine Strafe bekommen, und die Sache ist also abgemacht. Willst du selber noch einmal mit ihnen darüber sprechen, so gehe erst mit deiner Vernunft zu Rate, die wird dich den richtigen Weg schon leiten.« Und ohne weiter eine Antwort abzuwarten, verließ er das Zimmer, bestieg unten im Hofe sein schon bereit gehaltenes Pferd und sprengte in den Wald hinaus.
    Georgine blieb, wie er sie verlassen, im Zimmer stehen und sah ihm düster nach. Der ungebeugte Charakter des bisher so selbständigen, verwöhnten Weibes konnte sich dem Zwange noch nicht fügen, der es hier von allen Seiten hemmend umgab. Wohl tauchten wieder jene Gedanken, ihn abzuschütteln, in ihr auf, aber wieder und wieder hielt sie der Gedanke an Josefine zurück, die das verhaßte

Weitere Kostenlose Bücher