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Der Kunstreiter

Titel: Der Kunstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Gerstäcker
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gar still und heimlich vor sich hin, »aber da hätten Sie sich doch vielleicht geirrt, denn nicht allein verstehen die Vögel mich, wenn ich bei ihnen einmal hier draußen dem gedrückten Herzen Luft mache, nein, ich verstehe sie ebensogut, ob die paar Zurückgebliebenen mir nun im kalten Winter ihr Leid oder im Sommer den Verlust eines lieben Angehörigen klagen oder mir im Frühling die heimkehrenden Wanderer ihren Jubel, ihre Seligkeit entgegenzwitschern. – Sie, gnädiger Herr, sind eigentlich seit langer, langer Zeit der erste, mit dem ich wieder darüber rede, weil – weil mich etwas zu Ihnen zieht, dem ich keine Worte geben kann, für das ich eigentlich keine Ursache habe. Früher, ja, sprach ich mich offen darüber gegen jeden aus, aber mein Lohn war, daß ich von dem unwissenden Volke verlachtund ausgespottet wurde. Da behielt ich, was ich wußte, lieber für mich und zog mich mehr und mehr nur auf mich selbst zurück.«
    »Und Ihr glaubt wirklich, daß Ihr die Sprache der Tiere verstehen könnt – daß sie Euch wieder verstehen, wenn Ihr mit ihnen sprecht?«
    »Ich glaube es nicht nur,« sagte zuversichtlich der alte Mann, »ich weiß es ganz gewiß. Stundenlang hab' ich schon draußen auf der Wiese bei den Störchen gesessen und mir von Ihren Reisen erzählen lassen – stundenlang dem muntern, manchmal ein bißchen leichtfertigen Stieglitz zugehört, und was meine alte treue Amsel betrifft, die mir eigentlich die liebste ist von allen zusammen, so verstehen wir beide wohl jede Silbe, die wir miteinander reden.«
    »Die Amsel ist Euch die liebste?« fragte Georg, der unwillkürlich Interesse an den Phantasien des alten Mannes nahm.
    »Gewiß,« erwiderte dieser. »Die Amsel ist eines von den bescheidenen, anspruchslosen Wesen der Welt, die trotz ihres eigenen Verdienstes, eben ihrer Zurückhaltung wegen, es doch nirgends zu was Ordentlichem bringen und stets zurückgesetzt und übersehen werden. Und wie treu hält sie bei uns in Frost und Kälte aus; wie bescheiden hüpft sie in ihrem anspruchslosen schwarzen Kleidchen einher und was für eine lieblich grüne Stimme hat sie dabei!«
    »Eine grüne Stimme?« fragte Georg, dem dieser Ausdruck neu war.
    »Allerdings,« versicherte der alte Mann, »und zwar das ganz bestimmte junge Waldesgrün, wenn ihm der Frühling seinen ersten Saft gegeben – nicht ein Mischmasch von Farben wie der Finke mit seinem Violett oder der Zeisig gar mit seinem schmutzig gelben Ton – ein reines, schönes, helles Grün, das mit seinem lieben Klange meine alten Ohren auch noch erfreut, wenn der Winter schon lange das wirkliche Grün von den Zweigen gefegt und seine weiße Schneedecke über den Wald gebreitet hat.«
    »So beurteilt Ihr den Gesang der Vögel nach den Farben?«
    »Gewiß tue ich das,« versicherte der Greis, »und nirgends zeigen sich mir die Farben deutlicher als eben im Gesange. Die Grasmücke singt rot, aber kein brennend schmerzendes Rot wie der Kanarienvogel, sondern sanft und doch leuchtend, wie ich nur einmal in meinem Leben am nördlichen gestirnten Himmel habe Strahlen schießen sehen. Die Nachtigall singt dunkelblau – dunkelblau wie der Nachthimmel selber, daß man die beiden kaum voneinander unterscheiden kann. Die Lerche singt jenes wundervolle Korngelb der reifen Ähren,das Rotschwänzchen ein allerliebstes bläuliches Grau, die Schwalbe weiß, der Nußhäher, der spöttische Gesell, ein tiefes Schwarz, ich mag den geschwätzigen hirnlosen Burschen auch deshalb nicht besonders leiden; die Drossel singt dunkelgrün, und fast alle Farben finden sich unter den Sängern des Waldes, alle, mit ihren leisesten Schattierungen – nur nicht hellblau. Kein Vogel, und das ist etwas, worüber ich schon oft und lange nachgedacht, singt hellblau, und nur ein einziges Mal, und zwar eine einzige Nacht, habe ich eine Nachtigall gehört, die hellblau sang, und das war das schönste Himmelblau, das man sich nur denken kann.«
    »Und nie wieder hat sie gerade so gesungen?« fragte Georg, den, er wußte selber nicht weshalb, ein eigenes Gefühl der Teilnahme für den Greis beschlich.
    »Nie wieder,« sagte der alte Mann leise, »es war ihr Sterbelied gewesen, denn am nächsten Morgen fand ich sie tot in demselben Busche – tot und unverletzt, und habe sie auch dort, wo ich sie fand, nachher begraben. Ich werde den Tag nie vergessen; es war derselbe Morgen, an dem die Kinder wieder von hier abreisten, und wie ich da drüben unter dem Busche bei dem toten Vogel saß,

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