Der kuriose Fall des Spring Heeled Jack: Roman (German Edition)
eine Stunde. Sorgen Sie sich nicht, ich habe mir die Zeit vertrieben. Ich habe Ihre Aufzeichnungen gelesen.«
»Ist Privatsphäre ein Begriff, der Ihnen vertraut ist?«
»Welchen Vorteil brächte es mir ein, Ihre Privatsphäre zu achten?«
»Vielleicht den Ruf eines Gentleman?«, schlug Burton schneidend vor.
Der Albino gab ein Geräusch von sich, das ein Lachen hätte sein können, auch wenn es eher wie ein Knurren klang.
Burton hob das Rapier.
»Ist Lieutenant Speke am Leben?«, fragte er.
»Ja.«
»Warum haben Sie ihn mitgenommen?«
»Die Dinge könnten viel besser für Sie laufen, wenn Sie von derlei Fragen Abstand nähmen. Zu viele haben Sie in letzter Zeit gestellt, auch wenn sich Ihre Nachforschungen auf wenig mehr belaufen als einen ausgedehnten Spaziergang von einem Pub zum nächsten.«
»In den Kneipen treffen sich die Menschen. Sie sind eine natürliche Informationsquelle. Sie haben mich beobachtet?«
»Natürlich. Seit dem Moment, in dem Sie die Krankenschwester aus meinem hypnotischen Bann befreiten.«
»Ich habe Ihre Augen in denen des Mädchens gesehen.«
»Und ich dadurch sie.«
»Ich hörte, solche Dinge seien möglich, auch wenn ich es nie zuvor gesehen habe, nicht einmal in Indien. Und nebenbei, Sie können aufhören, mich so anzustarren. Ich bin selbst kein schlechter Hypnotiseur und werde Ihrer Einflussnahme sicher nicht zum Opfer fallen.
Der Eindringling zuckte mit den Achseln und trat in die Mitte des Raumes. Im Kerzenschein brannten seine Augen rot. Er legte seinen Zylinder auf einen der Schreibtische.
»Sie erkennen mich nicht«, sagte er. »Das ist nicht überraschend. Ich habe mich verändert.«
»Dann sagen Sie mir, wer Sie sind und was Sie wollen, bevor Sie verdammt noch mal mein Haus verlassen«, verlangte der Agent des Königs.
Mit einer einzigen blitzschnellen Bewegung zog der Albino einen Degen aus seinem Gehstock, berührte mit der Spitze Burtons Rapier, legte die Scheide dann mit einer einzigen fließenden Bewegung auf den Tisch und sagte: »Laurence Oliphant, ganz bestimmt nicht zu Ihren Diensten.«
Burton trat überrascht zurück, und seine Schulterblätter stießen gegen die Kaminvertäfelung.
»Grundgütiger! Was haben Sie sich angetan?«, rief er entsetzt.
Oliphant, der vorgetreten war, damit seine Klinge den Kontakt zu Burtons nicht verlor, begann, leichten Druck darauf auszuüben.
»Die Wahren Libertins mögen die Technologie verurteilen«, sagte er. »Doch die Aufrührer betrachten das Werk der Eugeniker als Chance. Welchen besseren Weg gibt es, die Grenzen der Menschlichkeit zu überschreiten, als wortwörtlich etwas zu werden, das ein wenig über das Menschliche hinausgeht?«
»Sie verbringen zu viel Zeit mit den falschen Leuten«, bemerkte Burton.
Oliphant achtete nicht auf die Bemerkung und schlug leicht mit seinem Degen gegen das Rapier, einmal, zweimal, bevor er schnurrte: »Und die Antwort auf Ihre vorherige Frage ist die: Ich möchte, dass Sie aufhören, Ihre Nase in Angelegenheiten zu stecken, die Sie nichts angehen. Ich meine es ernst, Sir Richard. Sonst sehe ich mich genötigt, Sie dazu zu zwingen. Eine kleine Kostprobe gefällig?«
Burton hielt seine Klinge mit ruhiger Hand und antwortete: »Man zählt mich zu den besten Fechtern Europas, Oliphant.«
Statt einer Antwort nahm Burton eine verschwommene Bewegung wahr, ein Augenblick, der so schnell vorbei war, als hätte er nie stattgefunden.
Wärme breitete sich plötzlich auf seiner Wange aus. Er hob eine Hand und berührte sie. Als er die Hand wieder sinken ließ, waren seine Finger nass von Blut.
»Und ich«, hauchte Oliphant, »bin der schnellste. Sorgen Siesich nicht, um Ihrer Eitelkeit willen habe ich nur die alte Narbe wieder aufgerissen, statt eine neue hinzuzufügen.«
»Wie rücksichtsvoll«, zischte Burton eisig. Er trat nach vorn und hieb nach der Schulter des Albinos. Sein Rapier wurde nonchalant pariert und ihm von der herumfahrenden Klinge seines Gegners aus der Hand gerissen. Es traf einen Schreibtisch, prallte ab und landete mit der Spitze voran in einem der Bücherregale.
Oliphant, dessen Degenspitze jetzt genau unter Burtons linkem Auge ruhte, warf einen kurzen Blick nach hinten.
»Mein lieber Freund«, gurrte er. »Wie unglücklich. Sie scheinen James Tuckeys Bericht einer Expedition zur Erkundung des Flusses Zaire erstochen zu haben.«
Er senkte seine Waffe und trat zurück.
»Nehmen Sie sich einen neuen Degen.«
Burton, der noch nie zuvor im Kampf entwaffnet
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