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Der kurze Sommer der Anarchie

Der kurze Sommer der Anarchie

Titel: Der kurze Sommer der Anarchie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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weiterführen konnte, durch neue Institutionen verwaltet wurde, in denen sie in der Minderheit war. Dieses Vorgehen wurde damals so begründet: »Diesmal soll es nicht wieder heißen, der große Fisch verschlinge alle kleineren.« Diese naive Phrase wurde in der politischen Wirklichkeit zu einer Waffe, welche die Politiker benutzten, um die Männer von der CNT zu neutralisieren und der Spanischen Revolution den Garaus ZU machen.
    Canovas Cervantes

    Im Regierungspalast saß nach wie vor das Kabinett, eine Art Schattenregierung, die ohnmächtig der revolutionären Situation zusah. Allerdings mit einer Ausnahme. Der Präsident von Katalonien, Luis Companys, war ein Mann von großem persönlichem Mut. Er hatte früher oft die Anarchisten vor Gericht verteidigt und hatte Freunde innerhalb der CNT. Als er zum erstenmal eine Sitzung des Milizen-Komitees besuchte, erhoben wir uns alle von unsern Plätzen. Die Anarchisten aber blieben sitzen. Oft genug kam es zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen den Leuten der CNT-FAI und Companys, der ihnen vorwarf, sie gefährdeten mit ihrem gewaltsamen Vorgehen den Sieg der Revolution. Eines Tages wurde das Durruti zu dumm, und er sagte den Vertretern der Regierung: »Einen schönen Gruß an den Präsidenten, und es wird besser für ihn sein, wenn er sich nicht mehr sehen läßt. Wenn er uns weiter seine Lektionen erteilen will, könnte ihm am Ende noch etwas zustoßen.«
Nach der ersten Sitzung des Komitees der Milizen sagten Durruti und Garcia Oliver zu Comorera, dem Vertreter der Sozialistischen Einheitspartei: »Wir wissen, was die Bolschewiken mit den russischen Anarchisten gemacht haben. Laßt euch gesagt sein, daß wir den Kommunisten niemals erlauben werden, ähnlich mit uns umzuspringen.«
    Manuel Benavides

    Das Komitee der Milizen war für alles da und hat sich um alles gekümmert: Aufrechterhaltung der revolutionären Ordnung im Hinterland, Aufstellung von Fronttruppen, Ausbildung von Offizieren, Gründung einer Fernmelde- und Signalschule, Verpflegung und Kleiderkammern, Neuorganisation der Wirtschaft, Gesetzgebung und Rechtspflege, Übergang von der Friedens- zur Kriegsproduktion, Propaganda, Beziehungen zur Zentralregierung in Madrid, Verbindungen nach Marokko, Landwirtschaftsfragen, Gesundheitswesen, Grenz- und Küstenschutz, Finanzen, Auszahlung des Soldes an die Miliz und der Renten für Angehörige und Witwen. Das Komitee mit seinen wenigen Mitgliedern arbeitete zwanzig Stunden am Tag. Es erfüllte Aufgaben, für deren Bewältigung eine normale Regierung eine kostspielige Bürokratie unterhält; es war zugleich Kriegsministerium, Innenministerium, Außenministerium, alles auf einmal, und der wahre Ausdruck des Volkswillens. 
    Diego Abad de Santillan 3

    Trockijs Urteil
    Die Anarchisten zeigten nur ihr verhängnisvolles Unverständnis für die Gesetze der Revolution und ihre Probleme, als sie versuchten, sich auf ihre eigenen Gewerkschaften zu beschränken, die in der Routine friedlicherer Tage befangen waren. Was außerhalb dieser Gewerkschaften in den Massen, in den politischen Parteien, im Regierungsapparat vorging, das ignorierten sie. Wären sie wirkliche Revolutionäre gewesen, so hätten sie als erstes zur Bildung von Sowjets, von Räten, aufgerufen, in denen alle Arbeiter aus der Stadt und vom Land vertreten gewesen wären, auch die ärmsten, die nie einer Gewerkschaft angehört hatten. Selbstverständlich hätten die revolutionären Arbeiter in diesen Sowjets die Führung übernommen. Das Proletariat wäre sich seiner unüberwindlichen Stärke bewußt geworden. Der Apparat des bürgerlichen Staates hätte in der Luft gehangen. Ein einziger Schlag hätte ihn pulverisiert. Stattdessen suchten die Anarchisten in ihren Gewerkschaften Zuflucht vor den Forderungen der »Politik«. Sie erwiesen sich als fünftes Rad am Wagen der bürgerlichen Demokratie. Bald verloren sie auch diese Position, weil niemand ein fünftes Rad brauchen kann.
Allein schon ihre Selbstrechtfertigung! »Wir haben die Macht nicht ergriffen, nicht weil wir nicht gekonnt hätten, sondern weil wir gegen jede Art von Diktatur sind.« Eine solche Argumentation ist schon Beweis genug, daß der Anarchismus eine konterrevolutionäre Lehre ist. Wer auf die Eroberung der Macht verzichtet, schanzt sie denen zu, die sie immer schon gehabt haben, nämlich den Ausbeutern. Das Wesen einer jeden Revolution besteht darin und hat immer darin bestanden, daß sie eine neue Klasse an die Macht bringt und es

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