Der kurze Sommer der Anarchie
tapfersten Leute, es hilft alles nichts. Auf diese Weise bin ich nach Aragon gekommen, mit dem Sardinenauto; so nannten es die Milizen. Durruti wußte nichts davon, aber jemand muß ihm Bescheid gesagt haben, denn er ist aus seinem Auto gestiegen und hat einen Blick in das Lastauto geworfen. Er hat mich angeschaut, dann ist er weitergefahren; er hat kein Wort gesagt.
Emilienne Morin
Der Marsch auf Zaragoza
Durruti war von dem Gedanken besessen, Zaragoza zu erobern. Daß die Hauptstadt von Aragon in die Hände der Faschisten gefallen war, bedeutete für die CNT, für die Revolution und für den Ausgang des Bürgerkrieges einen schrecklichen Schlag. Zaragoza war der Schwerpunkt des aragonesischen Anarchismus gewesen; schon die Erhebung der Anarchisten im Dezember 1933 hatte gezeigt, welches Potential in dieser Stadt steckte. Außerdem stellte Zaragoza für die Anarchisten die natürliche Verbindung zwischen ihrer Basis in Katalonien und ihren Stützpunkten im Baskenland, an der Biskaya und in Asturien her. Zweieinhalb Monate vor der Revolution hatte in Zaragoza der Nationale Kongreß der CNT stattgefunden. Er war zu einer Machtdemonstration ohne Beispiel in der Geschichte der spanischen Arbeiterbewegung geworden. Zur Schlußkundgebung in der Stierkampf-Arena waren Zehntausende von Arbeitern, Frauen und Männer aus ganz Spanien, gekommen, in überfüllten Sonderzügen, die mit Transparenten bedeckt waren und über denen die schwarz-rote Fahne wehte. Zaragoza war in jenen Tagen vollkommen in den Händen der CNT und der FAI, und der Feind hatte aus dieser Demonstration seine Schlüsse gezogen.
In den strategischen Plänen der Faschisten war Zaragoza jedenfalls eine ganz besondere Rolle zugedacht worden. Die Konterrevolution konzentrierte dort alle ihre Kräfte: eine starke Garnison der regulären Armee und die Kader der Requetes von Navarra, einer fanatischen Freiwilligen-Truppe, deren Vorgänger sich bereits in den Bürgerkriegen des letzten Jahrhunderts für die Sache der Reaktion geschlagen hatten. Eine entscheidende Rolle für das Schicksal der Stadt spielten außerdem der Zivilgouverneur, einer der typischen Hasenfüße der Zweiten Republik, und der Kommandierende General der Garnison, der alte Cabanellas, ein verschlagener Greis, der sich stets als Republikaner und Freimaurer zu geben wußte, bis er zu Franco überlief. Zur Belohnung wurde er zum ersten Vorsitzenden der Junta von Burgos ernannt. Durrutis Kolonne rückte in Eilmärschen gegen Zaragoza vor, in der Hoffnung, die Anarchisten der Stadt vor der Vernichtung zu retten. Man glaubte, daß dort immer noch ein Kampf auf Leben und Tod stattfände; in Wahrheit aber hatten die Faschisten jeden Widerstand erstickt. Als Durruti das Vorfeld von Zaragoza erreichte, war die Stadt bereits ein Friedhof, gerüstet mit Maschinengewehren und Kanonen.
Jose Peirats l
Nach seinem Durchmarsch durch Lerida erreichte Durruti mit seinen Leuten Bujaraloz, einen Ort, der nur vierzig Kilometer vor Zaragoza liegt. Dort errichtete er in einem Straßenwärterhaus auf freiem Feld, im Angesicht des Feindes, seinen Befehlsstand. Das gewonnene Terrain, das auf der linken Flanke bis zum Ebro reichte, wurde schnell und gründlich von zurückgebliebenen feindlichen Elementen gesäubert. Durrutis Vorposten lagen etwa zwanzig Kilometer vor Zaragoza, in Sichtweite der Stadt.
Es ist bedauerlich, daß Durruti nicht von den revolutionären Kräften in Zaragoza unterstützt wurde. Allerdings waren die Eingeschlossenen schlecht bewaffnet, und deshalb begnügten sie sich damit, auf die Entsetzung von außen zu warten. Die Putschisten waren absolute Herren der Stadt und konnten ihre Verteidigung in aller Ruhe organisieren.
Wenn Durruti Zaragoza genommen hätte, so wäre der Krieg bald zugunsten der Republikaner beendet gewesen. Die dortige Garnison war von großer Bedeutung; sie verfügte über erhebliche Reserven an Menschen und Material. Ihr Fall hätte Durruti den Weg über Logrono und Vitoria bis nach Bilbao an der atlantischen Küste eröffnet. Auch Teruel hätte sich keine vierundzwanzig Stunden über den Fall Zaragozas hinaus halten können. Die Vernachlässigung, ja die Sabotage an der Aragon-Front ist ohne Zweifel schuld daran, daß wir den Krieg verloren haben. Von Anfang an wurde Durruti wie den Führern aller anderen Kolonnen in Aragon jede Offensive unmöglich gemacht. Sie verfügten über keinerlei Einsatzreserven und litten ständig unter Mangel an Waffen und Munition. Durruti
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