Der kurze Sommer der Anarchie
Sitzungen als Vertreter der Esquerra teil, einer linksliberalen Partei. Wir kamen wie typische bürgerliche Intellektuelle in die Sitzungen, Krawatte, Jackett, Füllfederhalter, und sahen uns unversehens einem Trupp von Anarchisten gegenüber, die unrasiert in ihren Kampfanzügen zur Tür hereinkamen, mit Revolvern, Maschinenpistolen und Gurten, in denen sie ihre Dynamitbomben trugen. Ihr Anführer war ein Mann, der in seiner Erscheinung, in seiner Rede und in seinem Auftreten wie ein Riese wirkte:
Buenaventura Durruti. Jaume Miravitlles l
Ich hatte einst einen Artikel geschrieben, in dem ich behauptete, zwischen den Faschisten und den Leuten von der FAI gebe es keinen großen Unterschied. Durruti, ein Berserker von einem Mann, erinnerte sich nur allzugut an jenen Artikel. Er trat auf mich zu, legte mir seine großen Fäuste auf die Schultern und sagte: »Sie sind also Miravitlles. Passen Sie auf! Spielen Sie nicht mit dem Feuer! Das könnte Sie teuer zu stehen kommen.«
Und so machte sich das ZK der Antifaschistischen Milizen an die Arbeit, in einer Atmosphäre der Spannung und der Drohungen.
Jaume Miravitlles 2
Am 21. Juli trat ein regionales Plenum der anarchistischen Bezirkskomitees zusammen, um die neue Situation zu prüfen. Es wurde einstimmig beschlossen, die Frage des »freien Kommunismus« bis zum Sieg über die Faschisten zurückzustellen. Das Plenum ratifizierte die Entscheidung für die Zusammenarbeit der CNT-FAI mit anderen gewerkschaftlichen Organisationen und mit den politischen Parteien im ZK der Milizen. Nur ein Ortsbezirk, die Comarca von Bajo Llobregat, stimmte gegen die Zusammenarbeit.
Das Zentralkomitee, das de facto von den Anarcho-Syndikalisten beherrscht wurde, nahm seine Arbeit unverzüglich im früheren Gebäude des Yacht-Clubs von Barcelona auf.
John Stephen Brademas
Die CNT-FAI sah sich jetzt zum erstenmal unausweichlich vor die Frage der Macht gestellt. »Wir sind die Herren von Katalonien. Sollen wir die Macht an uns reißen, ohne auf die Republikaner, Sozialisten und Kommunisten Rücksicht zu nehmen, oder sollen wir mit der Generalität zusammenarbeiten?« Die höchsten Gremien der anarchistischen Bewegung berieten über diese Frage. Sie sollten sich noch monatelang damit beschäftigen, ohne eine Lösung zu finden.
Mariano Vasquez, Garcia Oliver, Durruti und Aurelio Fernan dez waren der Ansicht, daß eine Diktatur der Anarchisten angesichts der realen Kräfteverhältnisse kein gangbarer Weg sei. Wenn wir die Macht übernehmen, so argumentierten sie, werden wir die Zentralregierung in Madrid und alle ausländischen Regierungen gegen uns haben. Wir müssen also die Zusammenarbeit wählen und dürfen nicht zulassen, daß eine Regierung gebildet wird, an der wir nicht teilhaben.
Federica Montseny, Esgleas, Escorza und Santillan wendeten ein: Die Frage der Macht sei bereits gelöst, da sie praktisch in den Händen der CNT-FAI liege; sie beherrsche die Milizen in Aragon, die öffentliche Sicherheit und die Ökonomie im Hinterland. Wozu also mit der Regierung paktieren? Escorza, die außerordentlichste Erscheinung unter den Leuten der FAI, sagte mit einem machiavellistischen Lächeln: »Ihr habt das Huhn im Korb und streitet euch, wem die Eier gehören sollen. Diese Frage ist schon längst entschieden. Achten wir lieber auf die Füchse. Gegen die Füchse hilft nur die Flinte. Wir müssen uns der Regierung der Generalität bedienen, um das Land zu kollektivieren und die Industrie in die Hand der Gewerkschaften zu bringen. Die Arbeiter in der Stadt werden automatisch Mitglieder der CNT, die Arbeiter auf dem Land zu Mitgliedern der Kollektive. Damit schlagen wir alle herkömmlichen politischen Organisationen und Parteien aus dem Feld. Der Syndikalismus wird zur Basis der neuen Gesellschaft.« Santillan, ebenso ehrgeizig wie skrupellos, war zuerst ein erbitterter Gegner jeder Zusammenarbeit mit der Regierung; kaum war er Minister geworden, trat er ebenso unbedingt dafür ein. Federica Montseny, unterstützt von Esgleas und Escorza, wandte sich beredt gegen die Mitarbeit in der Regierung. In den zwei Monaten, die mit solchen Diskussionen dahingingen, erschöpfte sich der Elan der Revolution. Manuel Benavides Die verantwortlichen Führer der damaligen CNT waren sich ihrer Macht so sicher, ihr Selbstvertrauen war so groß, daß sie die Großzügigkeit bis ins Extrem trieben. Sie ließen es zu, daß die Revolution, welche die CNT angeführt und durchgesetzt hatte, und die nur sie allein
Weitere Kostenlose Bücher