Der kurze Sommer der Anarchie
den Platz der Republik. Auf dem Balkon der Generalität wehte eine große katalonische Fahne. Am Tor des Palastes stand ein Detachement der Provinzgarde. In den Seitenstraßen waren Bereitschaftspolizisten postiert, man sah auch Zivilisten mit Armbinden der katalanischen Nationalisten. Die schwerbewaffneten Vertreter der CNT-FAI stiegen aus. Der Wachoffizier näherte sich der Gruppe vor dem Eingang: Durruti, Garcia Oliver, Joaquin Ascaso, Ricardo Sanz, Aurelio Fernandez, Gregorio Jover, Antonio Ortiz und »Valencia«.
»Wir sind die Delegierten der CNT-FAI. Companys will uns sprechen. Wir haben unsere Leibwache mitgebracht.«
Luis Romero
Wir gingen hin, bis an die Zähne bewaffnet, mit Gewehren, Pistolen und MGs. Wir hatten keine Hemden an, und unsere Gesichter waren vom Pulverrauch geschwärzt. »Wir sind die Vertreter der CNT und der FAI«, sagten wir zum Kabinettchef, »und das ist unsere Leibwache, die kommt mit. Companys will mit uns sprechen.«
Der Präsident empfing uns stehend. Er war sichtlich bewegt. Er drückte uns die Hand; beinahe hätte er uns umarmt. Die Vorstellung war kurz. Wir setzten uns hin. Jeder von uns hatte ein Gewehr zwischen den Knien. Companys hielt uns die folgende kleine Ansprache:
»Vor allem andern muß ich Ihnen eines sagen: die CNT und die FAI sind bisher noch nie so behandelt worden, wie es ihrer Bedeutung entsprochen hätte. Ihr seid immer auf das schwerste verfolgt worden, und ich, der einst auf eurer Seite stand, habe mich zu meinem Schmerz durch die Notwendigkeiten der Politik gezwungen gesehen, euch zu bekämpfen und zu verfolgen. Heute seid ihr die Herren der Stadt und ganz Kataloniens, weil ihr als einzige die Faschisten besiegt habt. Ich hoffe, ihr nehmt es nicht übel auf, wenn ich euch trotzdem daran erinnere, daß Männer meiner Partei, meiner Wache und meiner Behörde, seien es wenige oder viele gewesen, euch ihre Unterstützung in den letzten Tagen nicht versagt haben... « Er überlegte einen Augenblick lang und fuhr fort:
»Aber die Wahrheit ist einfach die: Vorgestern noch verfolgt, habt ihr heute die Militaristen und Faschisten besiegt. Ich weiß, wer und was ihr seid, und deshalb muß ich in aller Aufrichtigkeit mit euch sprechen. Ihr habt gewonnen.
Alles liegt in eurer Hand. Wenn ihr mich als Präsidenten von Katalonien nicht mehr braucht oder wenn ihr mich nicht haben wollt, dann sagt es jetzt. Ich werde dann als gewöhnlicher Soldat gegen die Faschisten kämpfen. Wenn ihr dagegen meint, ich könnte auf diesem Platz, den ich bei einem Triumph des Faschismus nicht lebendig verlassen hätte, dem Kampf nützen, der in ganz Spanien weitergeht und von dem wir nicht wissen, wann und wie er enden wird: dann könnt ihr auf mich, die Leute meiner Partei, auf meinen Namen und mein Prestige zählen. Ihr könnt euch auf meine Loyalität als die eines Mannes und eines Politikers verlassen, der überzeugt davon ist, daß mit diesem Tag eine ganze Vergangenheit an ihrer eigenen Schande zugrunde gegangen ist, und der aufrichtig wünscht, daß Katalonien an der Spitze der gesellschaftlich avanciertesten Länder vorangeht.«
Juan Garcia Oliver 1
In einem anderen Raum hatte Companys die Vertreter aller politischen Parteien Kataloniens versammelt. Sie erwarteten den Ausgang des Gesprächs mit den Anarchisten. Die Delegierten der CNT-FAI wurden nunmehr hereingebeten, und auf Vorschlag des Präsidenten wurde ein gemeinsamer Ausschuß gegründet, der später als das Zentralkomitee der Antifaschistischen Milizen in die Geschichte eingegangen ist. Er sollte die Ordnung in Katalonien wiederherstellen und die bewaffneten Operationen gegen die aufständischen Militärs in Zaragoza organisieren.
Jose Peirats 2
Der Kompromiß
An diesem einen Tag, dem 19. Juli, waren alle politischen Strukturen Kataloniens, ja ganz Spaniens zerbrochen. Die legale Regierung führte fortan ein Schattendasein. Die tatsächliche politische Lage im Land erforderte die Bildung eines neuen Machtorgans. So entstand das Komitee der Antifaschistischen Milizen in Barcelona.
Wahrscheinlich ist die Initiative zur Bildung dieses Soldatenrates von den Anarchisten ausgegangen. Sie hatten keine Lust, in die Regierung einzutreten, das paßte nicht zu ihren Ideen. Sie ließen also die Regierung weitermachen. Tatsächlich aber waren es die Milizen und ihr Komitee, die fortan die Regierungsgewalt in der Hand hatten.
Im Komitee der Milizen waren aber auch andere antifaschistische Gruppen vertreten. Ich nahm an den
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