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Der kurze Sommer der Anarchie

Der kurze Sommer der Anarchie

Titel: Der kurze Sommer der Anarchie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Tornister schon gepackt. Schreck wegen Brille. Verteilung der Traglast (für mich Karte und Kochgeschirr). Befehlsempfang. Wortloser Marsch. Doch etwas aufgeregt. Übersetzen auf zwei Male. Louis regt sich unseretwillen auf, schreit (wenn drüben die andern sind). Landgang. Warten. Der Morgen graut. Der Deutsche wird die Suppe für uns kochen. Louis entdeckt eine Hütte, läßt die Sachen dort abstellen, stellt mich als Wache ab. Ich bleibe und passe auf die Suppe auf.
Überall Wachtposten aufgestellt. Herrichten der Hütte, Feldküche, Verbarrikadieren der Fenster, um nicht gesehen zu werden. Währenddessen gehen die andern auf das Haus zu. Finden dort eine Familie. Siebzehnjähriger Sohn (schön!). Informationen: wir sind gesehen worden, schon beim Spähtrupp. Seitdem das Ufer unter Beobachtung. Bei unserer Landung die Posten abgezogen. Hundertzwölf Mann. Der Leutnant hat geschworen, er werde uns erwischen. Sie wollen wiederkommen. Ich übersetze dem Deutschen diese Auskünfte. Sie fragen: »Was ist, ziehen wir uns über den Fluß zurück?« - »Nein, wir bleiben natürlich.« (Vielleicht besser mit Durruti telefonieren, von Pina aus?)
Befehl: alles zurück, die Bauernfamilie mitnehmen. (Währenddessen schimpft der Deutsche, den wir zum Koch gemacht haben, vor sich hin: kein Salz, kein Öl, kein Gemüse.) Berthomieux, wütend (es ist gefährlich, noch einmal bis zum Haus vorzudringen), versammelt den ganzen Stoßtrupp um sich. Mir sagt er: »Verschwinde in der Küche!« Ich wage nicht, zu protestieren. Übrigens paßt mir das ganze Unternehmen nur halb... Ich sehe voller Angst zu, wie sie abmarschieren ... (übrigens bin ich im Grunde nicht weniger in Gefahr als sie). Wir nehmen die Gewehre auf, warten. Bald schlägt der Deutsche vor, den kleinen Schützengraben unter dem Baum aufzusuchen, wo Ridel und Carpentier postiert sind (beide sind natürlich wieder dabei). Wir legen uns in den Schatten, mit den Gewehren (nicht geladen). Wieder Warten. Von Zeit zu Zeit ein Seufzer des Deutschen. Er hat offenbar Angst. Ich nicht. Wie intensiv alles rings um mich her existiert! Krieg ohne Gefangene. Wenn man in die Hände der andern fällt, wird man erschossen.
Die Kameraden kehren zurück. Ein Bauer, sein Sohn und der Junge... Fontana grüßt mit erhobener Faust, dabei blickt er die Jungen an. Sie grüßen zurück, der Sohn ganz deutlich nur, weil ihm nicht anderes übrigbleibt. Grausame Zwänge... Der Bauer kehrt noch einmal um, er will seine Angehörigen holen. Wir setzen uns wieder hin. Ein Aufklärungsflugzeug. In Deckung gehen. Louis äußert sich lauthals gegen den Leichtsinn. Ich lege mich auf den Rücken, betrachte die Blätter, den blauen Himmel. Sehr schöner Tag. Wenn sie mich erwischen, werden sie mich töten... Sie tun es nicht umsonst, die Unsrigen haben genug Blut vergossen. Ich bin ihr Komplize, moralisch jedenfalls. Völlige Stille. Wir erheben uns, da geht es von neuem an. Ich verstecke mich in der Hütte. Bombardement. Ich laufe aus der Hütte, auf das MG zu. Louis sagt: »Nur keine Angst!« (!) Er schickt mich mit dem Deutschen in die Küche, mit geschultertem Gewehr. Warten.
Endlich kommt der Bauer mit seinen Leuten zurück (drei Töchter, ein achtjähriger Sohn), alle verängstigt (heftiges Bombardement). Sie fürchten sich auch vor uns, erst langsam etwas zutraulicher. Machen sich Sorgen wegen des Viehs, das sie auf dem
Hof zurückgelassen haben (es wird noch soweit kommen, daß wir ihnen die Tiere nach Pina nachschicken). Offensichtlich politisch nicht auf unserer Seite.
    Simone Weil

    Faits divers
    Einmal haben sie uns einen Mann angeschleppt, der seinerzeit in Zaragoza eine ziemlich hohe Stellung innehatte. Seinen Namen will ich lieber nicht nennen. Er sollte erschossen werden. Durruti ließ seine Bewacher zu sich kommen und fragte sie: »Wie hat sich der Mann auf seinem Landgut benommen? Wie hat er die Landarbeiter behandelt?« Die Antwort war: »Nicht schlecht.« -»Also, was wollt ihr dann? Sollen wir ihn umbringen, nur weil er früher einmal reich war? Das ist doch Blödsinn.« Er übergab mir den Mann und sagte: »Du sorgst dafür, daß er Volksschullehrer hier im Dorf wird und anständige Arbeit leistet.«
    Jesus Arnal Pena 1

    In Durrutis Hauptquartier an der Straße Lerida-Zaragoza tauchte eines Nachmittags im August eine Gruppe von Künstlerinnen aus Barcelona auf. Sie wollten für die Milizsoldaten einen Liederabend geben. Auch Durrutis Frau Emilienne war dabei. Durruti schickte die

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