Der kurze Sommer der Anarchie
Valencia gereist. Offizier verschwunden. Koordination von Telefonisten und Telegrafisten.
Angekündigter Nachschub: 2000 Bewaffnete, KavallerieSchwadron, zwei Batterien 15 cm, zwei gepanzerte Geländewagen.
Telefongespräch Durruti-Santillan. Einnahme von Quinto würde ohne Artillerie 1200 Mann kosten. Mit Geschützen könnte die Kolonne bis an die Tore von Zaragoza vorstoßen. Sehr energisch: Warum wird Zaragoza nicht bombardiert? (Alter: »Si, Senor...«)
Montag, 17. August.
Das Hauptquartier wird in das Bauernhaus verlegt, vor dem das große Kornfeld liegt (komischer Umzug!). Vormittags mit dem Auto nach Pina. Der kleine Fahrer hat seine Braut dabei, sie küssen sich die ganze Fahrt über ab. Ich finde unsere Gruppe in der Schule einquartiert. Fabelhaft. (Patriotische Lesebücher...) (Auch das Krankenhaus in der Schule.) Essen wieder bei den Bauern von Nummer 18. Man gibt mir ein Gewehr: schöner kurzer Karabiner. Nachmittags zielloses Bombardement. Ich rufe Boris zu: »Ich habe noch keinen einzigen Schuß gehört.« (Stimmt, abgesehen vom Übungsschießen.) Im selben Moment kracht es. Schreckliche Explosion. »Das sind Bombenflieger.« Wir nehmen die Gewehre. Befehl: Alles raus in die Maisfelder. Wir nehmen Deckung. Ich lasse mich in den Dreck fallen und schieße nach oben. Nach einigen Minuten steht alles wieder auf.
Die Flugzeuge sind zu hoch, unerreichbar. Die Hälfte der Spanier gibt weitere Salven ab, einer schießt waagrecht auf den Fluß hin. (Auch Revolverschüsse?) Finden eine Bombe. Winzig klein. Schlagloch 1/2 m Durchmesser. Spürte keinerlei Erregung.
Immer noch müßige Bauern auf der Plaza, aber weniger als zuvor.
Louis Berthomieux (Delegierter): »Los, über den Fluß.« Es handelt sich darum, drei feindliche Leichen zu verbrennen. Wir setzen mit einem Kahn über (nach Viertelstunde Diskussion). Suche. Endlich eine Leiche, blau angelaufen, angefressen, entsetzlich. Wird verbrannt. Die andern suchen weiter. Rast. Vorschlag, einen Stoßtrupp zu bilden. Das Gros kehrt ans andere Ufer zurück. Dann wird entschieden (?), den Stoßtrupp auf morgen zu verschieben. Rückkehr zum Flußufer, fast ohne Deckung. Isoliertes Bauernhaus. Pascual (vom Kriegskomitee): »Warum suchen wir nicht nach Melonen?« (Ganz im Ernst.) Weiter durch Gestrüpp. Hitze, ein wenig Angst. Ich finde das Ganze blödsinnig. Plötzlich begreife ich, daß es Ernst ist, Einsatz (auf das Haus zu). Auf einmal sehr erregt (ich sehe nicht, daß das Ganze zwecklos ist, weiß aber, daß Gefangene erschossen werden). Wir teilen uns in zwei Gruppen. Der Delegierte, Ridel und die drei Deutschen robben auf das Haus zu. Wir in den Gräben (hinterher pfeift uns der Delegierte an: wir hätten ebenfalls bis zum Haus vordringen sollen). Warten. Wir hören Stimmen... Sehr ermüdende Spannung. Wir sehen die Kameraden zurückkehren, ohne Deckung, stoßen mit ihnen zusammen und überqueren in aller Ruhe den Fluß.
Unser falsches Vorgehen hätte die andern das Leben kosten können. Verantwortlich dafür ist Pascual. (Carpentier, Giral bei uns.) Wir schlafen im Stroh (zwei Stiefel in der Ecke, gute Decken). Der Sanitäter, der das Licht ausmachen will, wird angebrüllt. Bei diesem Unternehmen habe ich zum ersten und einzigen Mal während des ganzen Aufenthalts in Pina Angst gehabt.
Dienstag, 18. August.
Immer neue Vorschläge, den Fluß zu überqueren. Gegen Ende des Vormittags wird beschlossen, mitten in der Nacht den Übergang zu wagen, und zwar unsere Gruppe, und die Stellung am Ufer bis zur Ankunft der Kolonne Sastano zu halten, ein paar Tage. Der Tag vergeht mit Vorbereitungen. Die bedrückendste Frage: Maschinengewehre. Das Kriegskomitee von Pina weigert sich, uns welche zu geben. Nach langem Hin und Her gelingt es uns, mit Hilfe des italienischen Obersten, der die »Banda Negra« anführt, wenigstens eines zu kriegen. Am Ende sogar zwei. Sie werden nicht ausprobiert.
Eigentlich war es der Oberst, der die Idee aufgebracht hat, aber schließlich stimmt das Kriegskomitee unserm Stoßtrupp zu. Er ist natürlich freiwillig. Am Abend zuvor hat Berthomieux uns um 18 Uhr zusammengerufen und uns um unsere Meinung gefragt. Schweigen. Er besteht darauf, daß alle sagen, was sie denken. Wiederum Schweigen. Endlich Ridel: »Was denn, was denn, sind doch alle einverstanden.« Das ist alles. Wir legen uns schlafen.
Der Sanitäter will wieder die Lichter ausmachen... Ich schlafe in meinen Kleidern, mache kaum ein Auge zu. Aufstehen um halb drei Uhr früh. Mein
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