Der kurze Sommer der Anarchie
berichtest mir.«
»Schon recht«, antwortete ich, »aber warum soll ausgerechnet ich hinfahren? Das ist ganz unmöglich. In Lerida gibt es viele Leute, die mich kennen. Wenn sich herumspricht, daß ein Priester die Requisitionen stoppen will, dann werden sie nicht lange fackeln. Sie werden mir einfach ein paar Unzen Blei in den Kopf schießen.«
»Dann gebe ich dir eine Eskorte mit«, sagte Durruti.
»Meinet wegen eine ganze Hundertschaft. Außerdem bekommst du schriftliche Vollmachten von mir.«
Ich fuhr also mit zwei Leuten von der Quartiermeisterei und zwei Leibwächtern nach Lerida. Jeder von ihnen trug eine Maschinenpistole und einen Revolver. Wir nahmen im Hotel Suizo Quartier. Als erstes sprach ich mit den Delegierten der Generalität, der Regierung von Katalonien, die uns jede mögliche Unterstützung zusicherte. Ihr Büro war von den »Quittungen« für beschlagnahmte Waren überschwemmt.
Die Kaufleute und Ladenbesitzer brachten sie in der vagen Hoffnung an, irgendwann einmal für ihre Verluste entschädigt zu werden. Manche von diesen Zetteln waren wirklich kurios. Auf einem stand zum Beispiel: »Quittung über soundso viele Lippenstifte. Für die Kavallerie-Abteilung Farlete. Gezeichnet: Unleserlich.« Wir suchten uns die wichtigsten Quittungen heraus, stellten eine Liste auf und besuchten dann die verschiedenen Stellen, die die Papiere ausgestellt hatten. Soweit von den gestohlenen Sachen noch etwas vorhanden und für unsere Zwecke brauchbar war, schickten wir die Vorräte unserer Kolonne an die Front. Den Ausstellern aber teilten wir folgendes mit: »Die Kolonne Durruti wird den Mißbrauch, der mit ihrem Namen getrieben wird, in Zukunft verhindern. Dies ist die letzte Warnung. Wenn die Requisitionen nicht aufhören, kommen wir mit einer ganzen Hundertschaft nach Lerida. Wir werden dann nicht die gestohlenen Waren suchen, sondern die Diebe.
Die Kolonne wird ihnen das Urteil sprechen.« Auf einen der Übeltäter hatte ich es ganz besonders abgesehen. Das war der Delegierte unserer Kolonne für Proviantfragen.
Er hatte angefangen, auf eigene Rechnung zu arbeiten.
In der Tabak-Trafik hatte er beispielsweise einige Kisten »blonder« Zigaretten mitgehen lassen, aber nicht ein einziges Päckchen an die Kolonne abgeliefert. Dieser Mann war jedoch nirgends aufzutreiben. Ich konnte mir aber denken, wo wir ihn finden würden. Ich nahm meine Leibwache mit den Maschinenpistolen mit, und wir suchten die Bordelle der Stadt nach einem Mann ab, der an die Mädchen die damals recht seltene »blonde« Ware verteilt hatte. Und wahrhaftig, wir fanden unsern Mann sehr bald, in einem Stundenhotel an der Calle de Caballeros. Er trieb die Unverschämtheit so weit, daß er auch uns ein paar »Blonde« anbot. Ich zeigte ihm meine Vollmacht. Er war ziemlich erschrocken. »Bis morgen früh neun Uhr lieferst du an der und der Stelle soundso viele Kisten blonder Zigaretten ab. Wenn auch nur eine einzige fehlt, bringen wir dich unter Bewachung in Durrutis Hauptquartier. Du kannst dir ausrechnen, was dann passiert.« Nach unserer Expedition hörten die »Beschlagnahmungen« in Lerida fast ganz auf. Die Schieber hatten eine panische Angst vor Durruti; sein Eingreifen schob den Plünderungen einen Riegel vor.
Jesus Arnal Pena 2
Die Maschinengewehre
Der Morgen graute schon, als unser Wagen am Ortseingang von Bujalaroz angehalten wurde. Ein großer, kräftiger junger Mann trat uns aus dem Nebel entgegen. Er hatte das olivfarbene Gesicht und den Blick der Mauren. Das Gewehr im Anschlag, postierte er sich auf der Mitte der Straße, während ein anderer Milizsoldat unsere Passierscheine prüfte. Er machte uns darauf aufmerksam, daß unsere Papiere es - nicht erlaubten, weiter vorzudringen. Um zur Front zu kommen und sie wieder zu verlassen, bedurfte es einer besonderen Erlaubnis, die von Durruti selbst gezeichnet sein mußte. »Danke! Gute Fahrt!« Wir ließen den Motor an und bewegten uns durch das noch schlafende Dorf auf das Straßenwärter-Haus zu, wo, wie wir wußten, das Hauptquartier eingerichtet war.
Wir näherten uns einer großen Gruppe von Männern, die sich um eine Reihe von Maschinengewehren versammelt hatte. Die Waffen lagen auf der Erde. Ein großer, robuster Mann mit sonnenverbranntem Gesicht, schwarzen Haaren und kleinen, höchst lebendigen Augen ging auf die Gruppe zu und befahl, die MGs in Stellung zu bringen und sie zu erproben, damit sie dann sogleich an die vordersten Linien gebracht werden konnten. Ein paar
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