Der Kuss der Göttin (German Edition)
von waberndem Nebel. »Sie waren nie wirklich in Gefahr – nicht von den Waffen ausgehend –, aber sie mussten … mussten … ich kann nicht! Hilf mir, Ben son!« Ich halte ihm das Bild hin, aber ich kann es nicht loslassen, während das Gefühl von Feuer an meinen Armen emporzüngelt und rasselnde statische Aufladungen in meinen Ohren dröhnen.
Benson entreißt mir das Bild und wirft es hinter sich auf den Boden, bevor er die Arme um meine Oberarme legt. Ich breche in seinen Armen beinahe zusammen, doch ich schaffe es rechtzeitig, die letzten Reste an Kraft meinen müden Muskeln abzuringen, um mich zu fangen.
»Was ist passiert?«
»Ich … ich weiß es nicht. Ich habe das Bild berührt, und es war … als wüsste ich, was mit Quinn passiert ist. Oder was nicht passiert ist, glaube ich.« Schwarze Punkte verschwimmen vor meinen Augen, und ich habe Angst, dass ich ohnmächtig werde. Ich habe das Gefühl, als sei ich gerade mit einem leeren Magen einen Marathon gelaufen.
»Ich kann hier nicht länger bleiben«, sage ich und halte mir die Augen mit den Händen zu.
»Kein Problem. Wir können ein andermal wiederkommen.«
Ich nicke stumm – ich will nie wieder herkommen –, und Benson nimmt das Bild und wirft es zurück in die Kiste, zu rück in die Dunkelheit. Er sammelt ein paar von den ande ren Gegenständen ein und packt sie in seine Kuriertasche. Ich lehne an der bröckelnden Höhlenwand und halte den Blick gesenkt, damit ich das Bild nicht noch einmal sehen muss. Allein beim Gedanken daran fühle ich mich ein bisschen mulmig, als säße ich in einer schlechten Achterbahn.
So soll es nicht sein . Der Gedanke kommt mir ungebeten in den Sinn.
Das Tagebuch gleitet mir vom Schoß, doch ich fange es rechtzeitig auf.
»Ich bin es nur«, sagt Benson.
»Das will ich mitnehmen.«
»Wie du willst. Solange es dich nicht durcheinanderbringt wie das Bild.«
»Das wird es nicht«, beharre ich. Ich habe keinen Grund zu dieser Annahme, aber irgendwie weiß ich, dass es stimmt. »Ich brauche es.«
Die Worte kommen aus meinem Mund, aber sie klingen nicht wie meine.
K apitel 28
I ch glaube nicht, dass ich fahren kann«, sage ich, als wir eine halbe Stunde später durch die scharfen eisigen Windböen endlich Reese’ Auto erspähen. Mir schwimmen wieder diese leuchtenden Punkte vor den Augen, als ich halbherzig versuche, Benson zu helfen, die dünne Schneeschicht von der Windschutzscheibe zu fegen. »Kannsu mir wasu essen besorng?« Die Worte kommen nur undeutlich aus mir heraus, und ich muss mich konzentrieren, aufrecht stehen zu bleiben, als ich den Autoschlüssel aus der Tasche wühle. Ich bin sogar zu müde, um mir Sorgen über die Leute zu machen, die uns verfolgen, obwohl ich nach dem Zwischenfall mit dem Auto eigentlich doppelt auf der Hut sein sollte.
Vor allem, weil ich im Moment vollkommen nutzlos bin. Aber angesichts unserer Wanderung durch die Eiseskälte des Waldes und der Tatsache, dass er mich halb tragen musste und dann auch noch seine Tasche voller Sachen aus der Höhle, kann ich mir vorstellen, dass sich Benson auch nicht mehr allzu agil fühlt.
Nachdem er mir ins Auto geholfen und mich angeschnallt hat, fragt er: »Musst du dich erbrechen? Du siehst aus, als sei dir schlecht.«
Ich schüttle den Kopf und von der Bewegung wird mir übel. »Brauch was zu essen. Verhungere.«
»Ich glaube, du solltest dir selbst etwas herzaubern.«
»Hilft nichts«, widerspreche ich, lehne die Stirn an die Scheibe und schließe die Augen. »Verschwindet in fünf Minuten. Auch das, was ich schon gegessen hab.«
»Ja, aber wenn du in den zehn Minuten, die ich brauche, bis ich dir echtes Essen besorgt habe, mehr machst, kannst du das Essen, das verschwindet, immer ersetzen. Das muss zumindest ein bisschen helfen.« Bensons Blick fleht mich an, nicht mit ihm zu streiten.
Es braucht ein paar Sekunden, bis ich die Worte erfasst habe und mir auffällt, dass das eine ziemlich geniale Idee ist. Doch ich kämpfe dagegen an. Der Gedanke, etwas zu verdauen, das ich mit meiner grusligen Magie geschaffen habe, verursacht mir Übelkeit. Noch mehr Übelkeit.
Ich kann noch durchhalten; es muss hier irgendwo Fast Food geben. Pommes. Ich kann lang genug bei Bewusstsein bleiben, bis ich ein paar gute, salzige Pommes bekomme. Das Bild in meinem Kopf ist so lebhaft, dass ich dem Drang widerstehen muss, mir die Lippen zu lecken.
Erst als ich spüre, wie die Hitze durch meine Jeans dringt, blicke ich nach unten und sehe eine
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