Der Kuss der Göttin (German Edition)
zusammenknüllt.
»Nein. Sie sollten zwar«, sage ich und muss dafür meine Aufmerksamkeit mit Gewalt von dem Tagebuch losreißen – von dem bisschen, das drinsteht. »Aber … sie sind entkommen.« Ein Schmerz entsteht, als ich versuche, darüber nachzudenken, aber weil ich etwas gegessen habe, ist er nicht so überwältigend.
»Woher weißt du das?«
»Es ist, als ob man versucht, einen Film zu beschreiben, den man vor langer Zeit gesehen hat. Du erinnerst dich an den Handlungsstrang, aber nicht an alle Einzelheiten. Und je mehr du versuchst, dich zu erinnern, desto schwerer wird es.«
»Vielleicht versucht Quinn, durch dich zu sprechen, und das Bild war so etwas wie ein übernatürliches Tor.«
Ich schaue ihn mit hochgezogener Augenbraue an. »Er hat zufällig irgendeine kaputte Teenagerin ausgesucht, um durch sie zu kommunizieren?«
»Nicht zufällig«, beharrt Benson. »Eine andere Erdgebundene. Wie er. Vielleicht funktioniert es nur so.«
Ich denke darüber nach und es ergibt einen furchtbaren Sinn. Ich gebe zu, ich will keine Erdgebundene sein – was auch immer das sein soll. Ich will nicht besonders sein. Aber wenn Quinn mich ausgewählt hat, muss es irgendetwas geben, das ich für ihn tun kann. »Ich glaube, wir müssen zu dem Haus, Quinns Haus, zu dem aus dem Zeitungsartikel.«
»Problem. Wir wissen nicht, wo …«
»Ich schon«, flüstere ich, als die Erkenntnis in mir dämmert. »Ich weiß, wo es ist.«
Benson schaut auf die Uhr am Armaturenbrett, ohne seine Skepsis zu verbergen. »Jetzt ist es zu spät, und ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass du noch zu irgendetwas fähig bist.«
Ich nicke schwach. »Vielleicht morgen?«
Er runzelt konzentriert die Stirn. »Wenn du willst.«
Eine zufriedene Schläfrigkeit überkommt mich. »Ja, will ich. Ich muss – ich muss es herausfinden.«
»Ich weiß«, sagt Benson mit einem lauten Seufzen, und es scheint mir eine seltsame Antwort zu sein, aber er ist wahrscheinlich auch erschöpft.
»Wir sollten einen Platz zum Schlafen suchen; ich kippe demnächst um.«
Jetzt geht ein Lächeln über sein Gesicht. »Dein Wunsch ist mir Befehl.« Er schaut in den Rückspiegel, dann fährt er los. »Schlaf ruhig«, sagt er, als er den spärlichen Verkehr überblickt. »Es dauert ungefähr zwanzig Minuten.«
»Wohin fahren wir?«
»Schlaf einfach. Es ist eine Überraschung.«
Ich fühle mich, als hätte ich kaum die Augen geschlossen, als Benson mich auch schon wieder in die Seite knufft.
»Wir sind da.«
Ich verstehe nicht, warum er mich weckt, nur um mir zu sagen, dass es Zeit zu schlafen ist, bis meine erschöpften Augen das Licht einfangen.
Ich war nie so glücklich, ein einfaches Holiday Inn zu sehen. »Übernachten wir hier?«, frage ich und klebe praktisch mit der Nase an der Scheibe.
»Nein«, sagt Benson. »Ich habe dich nur hergebracht, um dich mit einer echten Dusche in Versuchung zu führen. Wir können wieder fahren.«
Diesmal bekommt seine Schulter einen Stoß, aber mein Hirn lässt die Worte echte Dusche nicht aus seinen Klauen.
Ich schnappe meinen Rucksack – ein bisschen schuldig fühle ich mich schon, dass ich die Einzige bin, die saubere Klamotten dabeihat – und sehe die Gegenstände im Kofferraum durch, um zu entscheiden, was am wichtigsten ist. »Die Tagebücher«, entscheide ich schließlich. »Die muss ich mit hinein nehmen. Ich muss sie lesen.« Weiter komme ich nicht. Mein Verstand ist immer noch vernebelt. Daher nimmt Benson sie an sich.
»Gehen wir rein. Ich will nicht, dass dich jemand sieht.«
»Das wird schon«, sage ich, als könnten allein die Worte es wahr machen. »Wo sind wir?«
»Freeport. Das ist knapp hundert Kilometer von Camden entfernt, aber es ist eine Stadt, in der wir noch nicht waren. Ich versuche, uns nicht in Gefahr zu bringen«, beendet er seinen Satz murmelnd.
»Du machst das super«, sage ich, froh, dass er vorsichtig ist. Wer auch immer uns folgt, er ist schlau und hartnäckig, und sosehr ich diese Eigenschaften normalerweise bewundere, mag ich sie weniger, wenn sie dazu eingesetzt werden, um mich … zu töten. Während wir den Parkplatz überqueren, gehe ich etwas enger neben Benson und lasse meine Schulter seine streifen. »Du bist mein Superman.« Ich tippe an seine Brille. »Mit Brille und allem.«
»Ich bin kein Held«, sagt er leise.
Ich fühle mich mutig, deshalb lasse ich meine Hand in seine gleiten und verschränke unsere Finger. »Du bist mein Held.«
Er drückt meine Hand und
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