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Der Kuss der Russalka

Der Kuss der Russalka

Titel: Der Kuss der Russalka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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einander immer verstehen.«
    »Die Russalka hat mir von dem Pfand erzählt«, fuhr Johannes unbeirrt fort. »Weißt du, von wem sie träumt?«
    »Sie hat dir davon erzählt?«, fragte Jewgenij tonlos. Johannes konnte regelrecht fühlen, wie sein Freund von ihm abrückte und sich versteifte. Plötzlich wünschte er sich, er hätte diese Frage nicht gestellt. Jewgenij schluckte sichtlich und schwieg. Heute gelang es ihm nicht, seine Gefühle zu verbergen.
    Johannes fühlte, wie er rot wurde, und er fluchte insgeheim auf die Russalka. War das ihre Art, Zwietracht zwischen ihnen zu säen? Aber warum sollte sie so etwas tun? »Nun, sie hat mir nicht alles erzählt«, versuchte er die Situation zu retten.
    »Och, das, was sie erzählt hat, genügt schon«, erwiderte Jewgenij spitz. Beinahe konnte Johannes die Worte hören, die sein Freund in Gedanken hinzusetzte: »Erst nimmst du unser Land und jetzt mischst du dich in unsere Geheimnisse ein.« Doch sein Freund überraschte ihn.
    »Nun, ich hätte es dir schon lange erzählen sollen«, sagte er nach einer Weile. »Es ist eine alte Geschichte. Du ahnst nicht, wie oft meine Großmutter von nichts anderem redet. Die Sage von dem Unterpfand – sie ist für uns wie ein Gebet.« Er räusperte sich und rezitierte wie ein Märchenerzähler: »›Den Schatz hält eine Affenfaust, die Faust steckt in einer Muschel, die keine ist. Die Muschel befindet sich in einem Beutel aus gelbem Samt, der Beutel in einem Kästchen und das Kästchen in einer Truhe, die das Bild eines geflügelten Fisches trägt.‹ Wir werden wahnsinnig darüber – und der Narr träumt davon. Vielleicht hat es diese Muschel, diesen Beutel und dieses Kästchen wirklich einmal gegeben, aber ich glaube, die Russalkas können lange warten.« Er seufzte tief. »Ich bin sicher, sie könnten die Newa verlassen, wenn sie aufhören würden an diese Prophezeiung zu glauben.«
    »Aber sie glauben daran«, erwiderte Johannes. Verstohlen betrachtete er seinen Freund von der Seite. Wenn die Russalkas nicht gehen, werden sie sterben, dachte er. Die einzige Möglichkeit, dass die Stadt ihnen nicht den Tod bringt, bestünde darin, sie erst gar nicht zu bauen. Der Einzige, der diese Stadt unbedingt bauen will, ist der Zar. Wäre der Zar tot, würden auch die Architekten in ihre Länder zurückkehren, ebenso die Soldaten, Kanalbauer und Knechte. War das der Gedankenweg, den die Verschwörer betreten hatten?
    »Wie sehr hasst du den Zaren?«, fragte Johannes unvermittelt. Jewgenij hob ruckartig den Kopf. »Ich meine, wie weit würdest du gehen um die Russalkas zu retten. Den Zaren töten?«
    »Den geraden Weg, Brehmow«, sagte Jewgenij mahnend. »Was willst du?«
    »Ich weiß nicht. Ich dachte nur …«
    Jewgenijs Augen verengten sich. Wut ließ seine Stimme beben. »Ach, jetzt verstehe ich!«, presste er zwischen den Zähnen hervor. »Der russische Fischer hat es auf den Zaren und auf euch abgesehen, natürlich.«
    »Du betonst so oft, dass du mein Feind bist … und ich … ich weiß nichts von dir. Vielleicht bin ich nur ein Tölpel, der nicht bemerkt, dass er eine Spielfigur in einer Verschwörung ist.«
    »Du weißt mehr von mir als jeder andere in dieser Höllenstadt!«, fuhr Jewgenij ihn an. »Meinst du, ich würde mit einem Feind hier herumsitzen? Mein Gott, Brehmow, ein Holzpfosten hat mehr Verstand als du.« Wütend klopfte er sich den Sand von den Hosen. »Verschwörung, so ein Quatsch!«
    Johannes antwortete nicht. Niemals hätte er zugegeben, wie erleichtert er war, auch wenn Jewgenij ihn beleidigt hatte. »Jemand will uns töten«, erklärte er schließlich unumwunden. »Und vielleicht den Zaren. Ich will herausfinden, was es damit auf sich hat. Irgendeine Verbindung gibt es möglicherweise zu den Russalkas. Du weißt nicht zufällig etwas über die ertränkten Katzen?«
    Jewgenijs Erstaunen war echt. »Katzen? Wenn du Menschen gesagt hättest, dann hätte ich dir gesagt, dass meine Russalka durchaus etwas damit zu tun haben kann.« Er lachte leise auf.
    »Mir ist nicht zum Lachen«, sagte Johannes scharf.
    »Mir schon«, gab Jewgenij zurück. »Du prügelst dich wie ein Russe, arbeitest wie ein Sklave für den Zaren und fürchtest dich vor ein paar Verrückten, die so mutig sind eine Katze zu ersäufen? Deine Ausländervorstadt muss ein richtiges Mädchenzimmer gewesen sein. Nun, willkommen im russischen Zarenreich! Es wird nicht die letzte Drohung sein, die du im Leben zu sehen bekommst.«
    »Vielleicht«,

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